Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private
Schlappschwanz.«
»Du wirst mir gleich meinen lutschen.«
»Wenn du meinst«, sagt er, verschränkt die Arme vor der Brust und schließt die Augen. Er spürt, wie der Kerl nach ihm greift und ihn packen will. Er reißt die Arme des anderen auseinander und versenkt seine beide Handkanten in dessen Hals. Der Typ ist schon erledigt, er weiß es nur noch nicht. Verblüfft wegen des doppelten Treffers auf seine Halsschlagader, reagiert er nicht schnell genug, als ihm Boone im Genick erwischt. Boone packt seinen Kopf und rammt ihm dreimal sein Knie gegen das Kinn. Boone lässt los, schubst ihn leicht und der Kerl gleitet bewusstlos zu Boden. Blut sickert aus seinem Mund.
Boone legt sich wieder hin.
Es entsteht eine kurze Pause; dann robbt derCrystaljunkie, der Boone ein Fleischwurstbrot und Oralverkehr angeboten hatte, zu dem Bewusstlosen herüber. Er greift ihm ins Hemd und zieht eine kleine Kette mit einem Kruzifix daran heraus, hält es Boone hin und fragt: »Willst du’s haben?«
Die Knastgesetze besagen, dass es Boones rechtmäßige Beute ist.
Boone schüttelt den Kopf.
Er denkt, du bist ein Idiot, Daniels.
Komplett hirnverbrannt.
Er steht von der Pritsche auf, steigt über ein paar Typen, um an das Gitter zu gelangen, und ruft dem Wärter zu: »Hey, Bruder! Schon was gehört, wann ich rauskomme?«
107
Ja, tatsächlich.
Zehn Minuten später spaziert er mit Petra aus dem Gebäude. Sie versucht gute Miene zum bösen Spiel zu machen. »Wenigstens«, sagt sie, »verpasst du deine großen Wellen jetzt nicht.«
»Egal«, sagt Boone.
Egal? denkt Petra. Gestern war das noch alles andere als egal. O Gott, war das wirklich erst einen Tag her?
Boone fragt: »Kann ich mir deinen Wagen leihen?«
Um zum Strand zu fahren?, überlegt sie. Sie macht Anstalten, ihn zu fragen, aber er strahlt etwas aus, das sie innehalten lässt. So hat sie den Mann noch nie gesehen – angespannt, konzentriert. Bewundernswert, aber auch ein bisschen furchteinflößend.
»Du schiebst ihn doch nicht über die Klippen, oder?«, fragt sie.
»Hab’s nicht vor.«
Sie kramt in ihrer Handtasche und gibt ihm die Schlüssel.
»Danke«, sagt Boone. »Ich bring ihn dir wieder.«
»Dem entnehme ich«, sagt Petra, »dass du nicht willst, dass ich mitkomme.«
Er betrachtet sie mit einem Ernst, den sie ebenfalls noch nie an ihm gesehen hat, und erneut empfindet sie dies als gleichermaßen beängstigend wie aufregend.
»Hör zu«, sagt er, »es gibt Dinge, die muss man alleine tun. Verstehst du?«
»Ja.«
»Ich bring das alles in Ordnung.«
»Ich weiß.«
Er beugt sich herunter und küsst sie leicht auf die Wange, dreht sich um und geht mit einem Schritt davon, den sie, wenn sie müsste, nicht anders als »entschlossen« beschreiben könnte.
Sie hat’s begriffen.
Und sie denkt, sie hat selbst auch einiges in Ordnung zu bringen.
Petra ruft ein Taxi und bittet den Fahrer, sie zum Sundowner zu bringen.
108
Boone fährt zu Tammy nach Hause.
Sie wird nicht zu Hause sein – Danny wird sie inzwischen längst irgendwohin verfrachtet haben. Er parkt Petras Wagen direkt vor der Tür, steigt die Treppe hinauf zu Tammys Wohnung und knackt das Schloss.
Ein ganz gewöhnliches Apartment. Er geht direkt ins Schlafzimmer, denn das ist der Raum, in dem Menschen Geheimnisse verstecken, dort oder im Badezimmer. Tammys Schlafzimmer sieht Angelas sehr ähnlich, das geht so weit, dass sie dasselbe gerahmte Bild der beiden auf dem Sekretär stehen hat.
Du bist ein Idiot, denkt Boone. Schau dir das Bild an, sie hat sich kein Stück verändert. Teddy hatte sie nicht unterm Messer, also was läuft da zwischen den beiden?
Er geht ins Bad und öffnet das Schränkchen. Nichts Interessantes, außer einem Foto, das in der linken Innentür unten in der Ritze zwischen Glas und Rahmen steckt.
Es ist die Porträtaufnahme eines kleinen Mädchens. Das Bild wurde im Freien aufgenommen und der Hintergrund ist aufgrund der schlechten Lichtverhältnisse und weil das Gesicht scharf gestellt wurde nur undeutlich zu erkennen, aber …
Es ist das Mädchen von den Erdbeerfeldern, aus dem Schilf.
Das Mädchen, das mit Teddy im Motelzimmer war.
Wahrscheinlich eine Latina, der braunen Haut, dem langen glatten schwarzen Haar und den dunklen Augen nach zu urteilen. Aber sie hätte auch Indianerin sein können, schwer zu sagen. Auf jeden Fall aber ist sie sehr hübsch, ein süßes kleines Mädchen mit einem schüchternen, zurückhaltenden Lächeln, das ein Kreuz an einer
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