Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private
für große Wellen.
Bislang war das Reiten der großen Wellen mehr oder weniger reine Männersache. Allmählich trauen sich auch Frauen ran, aber die Konkurrenz ist längst nicht so groß, als dass eine Surferin an einem Männer-Line-up nicht auffallen würde. Sie weiß, dass sie die Größe, das Gewicht und die Kraft hat, mit Donnerbrechern klarzukommen.
Bis jetzt war sie in einem Teufelskreis gefangen: Man braucht Geld, um zu den großen Wellen nach Hawaii und Tahiti zu reisen, doch ohne Sponsor kein Geld, und sie kann erst einen Sponsor für sich gewinnen, wenn sie die großen Wellen reitet, aber um die großen Wellen zu reiten, muss sie nach …
Aber jetzt kommen die großen Wellen zu ihr. Buchstäblich bis vor ihre Haustür, und sie muss nur rausgehen, rauspaddeln und eine von den ganz großen erwischen. Fotografen und Videofilmer werden die Strände und Felsklippen säumen, und sie braucht nur einen einzigen Ritt, einen Monsterritt, bei dem ihr gelbbraunes Haar wie eine persönliche Flagge vor dem schwarzen Hintergrund der Welle hinter ihr herflattert – das wird sie auf die Titelseiten der Surfmagazine bringen, ganz sicher.
Und dann lässt auch der Sponsor nicht mehr auf sich warten.
Also weiter Gewichte heben, sagt sie sich. Den Schmerzwegstemmen, ist nur Schmerz. Jede einzelne Anspannung der Muskeln hilft dir, auf der Welle zu bleiben. Dafür hast du seit Monaten trainiert, seit Jahren, dein ganzes Leben. Also noch mal, noch mal, noch mal …
Nach dem Training mit den Gewichten geht sie wieder auf die Matte und dehnt sich noch ein bisschen, dann legt sie sich hin, atmet und stellt sich vor, wie sie die große Welle reitet.
Das ist mehr als eine Phantasie. Sie geht jede Einzelheit sorgfältig durch, Moment für Moment, angefangen vom Hineinpaddeln bis zum Drop, dem richtigen Break, rein in die Tube und durch die sprühende Gischt wieder hinaus. Sie stellt es sich immer wieder vor, jedes Mal mit mehr Einzelheiten, und mit jeder Wiederholung wird sie stärker und besser. Sie denkt nie daran, dass sie die Welle verpassen, vom Brett stürzen oder den Wellenhang herunterfallen könnte.
Sunny denkt rigoros positiv.
Sie hört den Sound ihres herannahenden Moments.
Sie steht auf, trocknet sich mit einem Handtuch ab, setzt sich und lauscht dem Ozean.
53
Petra betrachtet den schlafenden Boone.
Das ist insofern eine gewissermaßen erbauliche Erfahrung, als sie noch nie einen schlafenden Mann beobachtet hat.
Nicht, dass es in ihrem Bett keine Männer gegeben hätte, aber normalerweise schläft sie vor ihnen ein oder, was ihr am liebsten ist, sie stehen auf und gehen nach dem Geschlechtsakt und einer angemessenen Kuschelphase. Obwohl sie, um die Wahrheit zu sagen, auf Letzteres gut und gerne verzichten könnte. Offensichtlich wird es aber erwartet, wobei sie vermutet, dass die Männer ebenfalls keinen größeren Wert darauf legen.
Wenn sie im Bett eines Mannes liegt, steht sie auf und geht nach einer Höflichkeitspause, denn sie schläft lieber alleine, und vor allem wacht sie lieber alleine auf. Bevor sie nicht ihre erste Tasse Lapsang-Souchong getrunken hat, ist sie kaum sie selbst – körperlich, emotional und psychisch –, und das Letzte, worum sie sich morgens kümmern möchte, sind die Bedürfnisse eines Mannes. Fröhlichkeit vortäuschen und Kaffee, Eier, Würstchen und dergleichen zubereiten.
Dafür gibt es schließlich Restaurants.
Jetzt beobachtet sie den schlafenden Boone Daniels und ist fasziniert.
Vor wenigen Augenblicken war der Mann noch total und vollkommen wach, und eine Sekunde später war er ebenso total und vollkommen eingeschlafen, als hätte er keinerlei Sorgen auf der Welt. Als wäre er nicht finanziell ruiniert, müsste keine wichtige Zeugin aufspüren, als wäre er nicht eben gerade von einem offensichtlich brutalen Gangster verletzt worden, als …
Wäre ich gar nicht hier, gesteht sie sich ein.
Ist es das, was dir keine Ruhe lässt?, fragt sie sich. Dass es diesem Mann gelingt, dich schlicht zu ignorieren, und zwar bis zur Bewusstlosigkeit ?
Lächerlich, sagt sie sich. Wieso sollte es mir etwas ausmachen, wenn dieser … Primitive von dir nicht in demselben Maße fasziniert ist, wie – wenn wir ehrlich sind – die allermeisten Männer? Es ist ja nicht so, dass ich irgendein Interesse an ihm hätte oder seine Aufmerksamkeit auf mich lenken wollte.
Darum bemühe ich mich ja auch sonst nie, denkt sie. Sei ehrlich, Frau, in dieser Hinsicht bist du sehr faul. Faul, weil du
Weitere Kostenlose Bücher