Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private
es dir leisten kannst, das sagt dir ein kurzer Blick in den Spiegel und das Gros aller Männer.
Sie benehmen sich wie Idioten, und es ist denkbar leicht, sie ins Bett zu locken, wenn man das möchte.
Nicht, dass es da viele gegeben hätte.
Einige handverlesene, betuchte, höfliche, geeignete Sexualpartner, von denen sie einen oder zwei als möglichen Ehemann in Betracht gezogen hatte und die, wie sie vermutet, ihrerseits überlegt hatten, ob sie als potenzielle Ehefrau in Frage kam.
Doch sie waren alle viel zu karriereorientiert und, offen gestanden, auch zu selbstsüchtig für die Ehe. Zumindest zu diesem Zeitpunkt in ihrem Leben. Wenn sie erst als Partnerin in die Kanzlei aufgenommen sein wird, kann sie sich immer noch etwas ernsthafter um eine Beziehung bemühen und vielleicht auch einen passenden Ehemann suchen. Einstweilen gibt sie sich damit zufrieden, gelegentlich mit einem jungen Anwalt oder Banker essen und, was noch seltener vorkommt, ins Bett zu gehen.
Aber bin ich, das fragt sie sich, denn wirklich so zufrieden?
Du bist einsam, gesteht sie sich ein. Das ist keine schlagartige Offenbarung, keine Eingebung, sondern eher die schleichende Erkenntnis, etwas verpasst zu haben, etwas, von dem sie nie dachte, dass sie es sich wünschen würde – eine enge emotionale Bindung an eine andere Person. Die Erkenntnis schockiert sie. Solange sie denken kann, war sie immer vollkommen unabhängig.
Denn so ist es ihr am liebsten.
Doch jetzt bekommt sie allmählich das Gefühl, dass sie jemanden braucht, und das Gefühl gefällt ihr nicht.
Überhaupt nicht.
Wieder betrachtet sie Boone.
Wie kann der Mann jetzt bloß schlafen?
Sie überlegt kurz, ob sie ihn wecken soll, verwirft die Idee aber wieder.
Vielleicht bin ich eifersüchtig, denkt sie, neidisch auf seine Fähigkeit, so leicht einzuschlafen.
Sie schläft nicht leicht ein und schläft auch nicht besonders gut. Sie liegt wach und denkt über Fälle nach, denkt an Dinge, die sie erledigen muss, hinterfragt eigene Entscheidungen, macht sich Sorgen, überlegt beunruhigt, wie sie in der Kanzlei wahrgenommen wird, in der sie so hart arbeitet, vielleicht zu hart arbeitet und dadurch Neid schürt. Sie macht sich Sorgen wegen ihrer Garderobe und ihrer Haare. Sie macht sich Sorgen, weil sie sich Sorgen macht. Meistens kann sie nicht schlafen, weil sie Angst hat, nicht schlafen zu können.
Gäbe es keine Schlaftabletten, würde sie überhaupt nicht schlafen.
Aber dieser wasservernarrte Cromagnon mit Ermittlerlizenz, denkt sie, schläft wie ein Baby. Also muss was dran sein: Ahnungslosigkeit ist ein Segen.
Ihre Gedanken wandern zu dem Mädchen in dem Restaurant am Vormittag. Das groß gewachsene, athletische Wesen mit dem goldblonden Haar. Ganz offensichtlich schläft er mit ihr, und wer würde es ihm vorwerfen wollen? Sie sieht toll aus. Aber was zum Teufel findet sie an ihm? Sie könnte jeden Mann haben, den sie will, warum ausgerechnet diesen ? Ob er wirklich so gut ist im Bett? Wert, dass man neben ihm aufwacht? Ganz bestimmt nicht.
Es bleibt ein Rätsel.
Sie versucht noch immer, es zu lösen, als sie Teddy die Straße entlangkommen sieht.
54
»Au.«
Boone ist bereits wach, bevor er Petras Ellbogen zu spüren bekommt, der sich ihm in die Rippen bohrt.
Nach einer Weile entwickelt man beim Observieren einen sechsten Sinn. Man schläft, aber der innere Wecker klingelt, sobald etwas passiert.
Boone schiebt sich die Mütze aus dem Gesicht und sieht Petra die Straße hinunter auf Teddy zeigen.
Er hat ein kleines Mädchen dabei.
Das kleine Mädchen aus dem Schilf.
55
»Bleiben Sie im Wagen.«
»Aber …« »Ich habe gesagt, bleiben Sie im verfluchten Wagen«, fährt Boone sie in einem Ton an, dem nicht einmal mehr Petra zu widersprechen wagt. Er steigt aus dem Bus und geht zu dem Häuschen.
Links und rechts neben der Eingangstür befindet sich jeweils ein kleines Fenster. Vorne liegt das Wohnzimmer, dahinter ein Schlaf- und ein Badezimmer. Der Vorhang vor einem der Fenster ist zurückgezogen und Boone sieht Teddy neben dem Mädchen auf dem Bett sitzen. Aus einem Fläschchen in seiner Hand schüttelt er ein paar Pillen.
Boone ist danach, die Tür einzutreten und Teddy so lange die verquirlte Scheiße zu den Ohren herauszuprügeln, bis der gute Doktor selbst einen Schönheitschirurgen benötigt.
Denn Teddy D-Cup, dem buchstäblich Hunderte wunderschöner Frauen zur Verfügung stehen, füttert einem kleinen Mädchen in einem Motelzimmer Rohypnol, um sie
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