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Päpste pupsen nicht (German Edition)

Päpste pupsen nicht (German Edition)

Titel: Päpste pupsen nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Smoltczyk
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Und wisst ihr was? Wenn man nur lange genug hinschaut, dann wird man selbst Teil der Wolke, hihihi …«
    Prälat Dienstbier hatte die letzten Jahre damit verbracht, die Stare zu zählen. Es sind 4387711 Tiere. »Na ja, jedenfalls waren es noch vor drei Wochen so viele.« Der Prälat schien alles über die Vögel zu wissen. Dinge, die niemanden, jedenfalls uns, nicht die Bohne interessierten und die ich mir deshalb auch nicht gemerkt habe. Aber eines habe ich mir gemerkt. Dienstbier hatte offenbar ein Gerät erfunden, mit dem er die Vogelschwärme am Himmel lenken konnte. Das behauptete er jedenfalls. Von dem Gerät war nämlich noch nichts zu sehen. »Ich habe es Poimnograph genannt. Das bedeutet Schwarmschreiber.« Er nuschelte beim Aussprechen des Wortes. Wer würde da nicht nuscheln? »Es ist ein Sender, mit dem man über große Entfernungen elektronische Chips anpeilen kann. So eine Art Fernsteuerung für Vögel.«
    Eloise schaffte es, mich hinten in die Wade zu treten, ohne eine Miene zu verziehen. Capito: Dieser Mann hat eine Meise.
    »Ich vermute, ihr denkt, ich hätte selbst einen Vogel? Glaubt mir, das denken viele hier. Deswegen rede ich auch mit niemandem über meine Experimente.«
    Dienstbier erzählte seine Geschichte. Ich konnte damals noch nicht sagen, ob er sich das alles ausgedacht hatte. Es klang ziemlich danach.
    »Es ist mir also gelungen, fünf Staren einen Chip einzupflanzen. Nach ein paar Tagen habe ich sie freigelassen, damit sie sich wieder ihrem Schwarm anschließen können. Ich gebe das Signal – und es funktioniert: Der ganze Schwarm fliegt plötzlich nach rechts. Sie folgen den fünf Staren wie die Ratten und wie die Kinder dem Rattenfänger. Erst konnte ich nur die Richtung ändern, jetzt versuche ich, einfache Formen zu bilden. Eine Kugel, einen Pfeil. Gestern sogar ganz kurz ein Gesicht.«
    Ich stieß Eloise mit dem Fuß an: Das hatten wir vom Schulbus aus gesehen.
    »Mit etwas Übung geht das. Jedenfalls glaube ich das … Wollt ihr ein Glas Wasser?«
    »Warum machen Sie das?«, traute ich mich zu fragen.
    »Warum? WARUM ?« Seine Stimme kippte ein bisschen. »Weil die Welt aus dem Gleichgewicht geraten ist, darum. Weil die Menschen nicht mehr glauben, weder an die Kirche noch an den Papst, noch an Gott. Aber dem Wetterbericht, dem glauben sie. Jeder denkt doch nur an sich. Die Menschen müssen wieder an etwas Höheres glauben. Deswegen muss ich ihnen ein Zeichen an den Himmel schreiben.« Ich schaute Eloise an, um mich zu vergewissern, ob sie kichern musste. Aber sie schaute nur den wütenden alten Mann an und schien ihm sogar zuzuhören. »An Fußball denken sie und rennen ins Stadion statt in die Kirche. Lügen tun sie alle, der Ministerpräsident und die Zeitungen und alle, alle, alle.«
    »Sie auch?« ELOISE !
    »Ich?« Statt uns wegen dieser Frechheit rauszuwerfen, fing der Alte an, sein Kinn zu kneten, kratzte sich am Kragen und sagte: »Ich habe zum letzten Mal gelogen, als ich beim Arzt war. Ich habe dem Doktor gesagt, alles sei in Ordnung. Dabei ist nichts in Ordnung. Mir bleibt wahrscheinlich nicht mehr viel Zeit. So jung bin ich ja nicht mehr, hihihi. Es drängt also.«
    Mich drängte auch etwas. »Entschuldigen Sie«, sagte ich und hatte ein Problem. Mein Körper ist so eingestellt, dass er immer dringend pieseln muss, wenn gerade kein Klo weit und breit erreichbar ist. Das sagt Papa jedenfalls über meinen Körper. Ich kann nichts dafür. Es kommt plötzlich über mich. Gerade war noch tiefe Ruhe in meinem Bauch, plötzlich kann ich an nichts anderes mehr denken und würde in die Hose machen, wenn jemand das Wort »Wasser« oder »Wolkenguss« sagt oder so etwas. Aber ich durfte jetzt auf keinen Fall an »Wasser« denken, auf keinen, keinen Fall. »Haben Sie eine Toilette, Herr Prälat?«
    »Wieso müssen Kinder eigentlich immer müssen? Merkwürdig. Nun geh schon. Unterm Kruzifix die Tür rechts rein.«
    Wirklich merkwürdig. Was wusste der alte Prälat schon von Kindern? Wann ist hier wohl zum letzten Mal ein Kind gewesen, überlegte ich, aber nur kurz, denn es war jetzt wirklich keine Zeit für langes Überlegen. Priester Dienstbier hatte jedenfalls etwas zu tun mit dem, was wir gesehen hatten. Ich ging den Gang hinunter und suchte das Kruzifix. Es hing gleich über der Wohnungstür. Die Tür stand leicht offen, vielleicht hatte der alte Priester vergessen, sie fest zuzuziehen. Ich machte die Tür zu und musste dann wirklich sehr schnell aufs Klo.
    Als ich

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