Päpste pupsen nicht (German Edition)
Sonderbar, dass er einem dann sämtliche Folgen seiner Lieblingsserie erzählen kann. Mit langen Passagen im O-Ton. Als ich nach Hause kam, saßen meine Eltern jedenfalls auf dem Sofa im Wohnzimmer und meinten »Pschtttt …« zur Begrüßung, was bedeutet: »Super, was du alles erlebt hast, Smilla, aber bitte halte jetzt den Mund, denn wir sehen fern.«
Die Tür zum Balkon stand offen. Ich holte mir ein Glas Orangensaft aus der Küche und setzte mich auf den Teppich. Da lag noch ein Meerschweinchenköttel. Ach, Mono … Um nicht traurig zu werden, schaute ich dann dahin, wo meine Eltern hinstarrten. Auf dem Bildschirm sah ich den Ministerpräsidenten. Er stand auf dem Venezia-Platz. Unsere Klassenlehrerin Frau Tiedemann hatte uns bei irgendeinem Wandertag erklärt, dass hier einmal der Mittelpunkt von Rom war, also von der ganzen Welt. Deswegen redete der Ministerpräsident auch hier. Hinter ihm sah man das weiße Gebäude des ehemaligen Königs, die Pinien und einige von den alten, kaputten Säulen.
Ich kannte den Ministerpräsidenten von den Plakaten, die jetzt überall in der Stadt herumhingen. Er sah aus wie selbst zusammengebaut. Die Haare waren falsch und glänzten. Die Zähne waren ebenso perfekt wie falsch. Die Falten waren irgendwann einmal über die Sommermonate verschwunden. Und weil er so klein war, trug er nur Schuhe mit hohen Absätzen. Er stand da vor einem Mikrofon, die Hände vor dem Bauch gefaltet, um ihn herum seine Leibwächter, die genauso falsch aussahen, aber einen Kopf größer waren als er.
Es war sonderbar. Niemand wollte diesen Mann wählen, aber trotzdem gewann er immer die Wahlen. Mein Papa sagte immer, diesen Mann die Wahrheit reden zu hören, das ist so selten wie ein Foto von der Queen im Bikini.
Im Hintergrund war jetzt ein Rauschen und Tschirpen zu hören. Der Ministerpräsident blickte kurz von seiner Rede auf und schaute in den Himmel. Was er da sah, konnten seine Zuhörer nicht sehen, weil es hinter ihnen war.
»Liebe Bürgerinnen und Bürger, was ich Ihnen schon lange einmal sagen wollte …«, fing der Ministerpräsident jetzt zu reden an. Er schaute nicht mehr auf seine Blätter. Er schaute auch nicht mehr in die Kamera, sondern irgendwohin in die Ferne. »… ist, dass ich mich manchmal frage, wieso Sie eigentlich für mich abstimmen. Womit habe ich das verdient? Wenn ich morgens aufstehe, habe ich gar keine Lust aufzustehen. Ich gehe dann ins Bad und im Spiegel sehe ich einen müden alten Mann mit schlechtem Atem und falschen Haaren«, Papa stand auf und drehte den Ton lauter, »und ich weiß, dass ich den ganzen Tag lang wieder nur allen etwas vorspielen werde. Meiner Frau werde ich sagen, dass ich sie liebe, obwohl ich eine Geliebte habe, nein, sogar zwei. Meinen Ministern werde ich sagen, dass wir die Gesetze ändern müssen, dabei nützt das dem Land gar nichts, sondern nur mir.« Das Telefon klingelte, aber Mama und Papa gingen nicht ran. »Meinen Kollegen, den anderen Ministerpräsidenten und Kanzlern sage ich, dass sie sich auf mein Land verlassen können, dabei mache ich heimlich Abkommen mit ihren Gegnern. Liebe Bürgerinnen und Bürger, bitte machen Sie Ihr Kreuz hinter allen Namen, aber nicht hinter meinem. Ich würde am liebsten sowieso nur endlich richtig Cello spielen lernen.« Dann brach der Ton ab. Eine hektische Fernsehfrau redete etwas in die Kamera, und man sah, wie dem Ministerpräsidenten ein Glas Wasser gereicht wurde. Leute in schwarzen Anzügen redeten auf ihn ein und gaben den Kameraleuten Zeichen. Der Ministerpräsident schaute einen Moment, als sei er gerade erst aufgewacht. Gar nicht so unsympathisch wie sonst. Dann fuhr er sich mit den Händen über die Augen, schüttelte den Kopf und hatte plötzlich wieder sein fieses Grinsen im Gesicht. Er trat ans Mikrofon und sagte: »Hahaha! Meine lieben Wähler, das hätten die anderen Kandidaten wohl gern, dass ich so rede. So möchten sie mich sehen, ein jammerndes Häufchen Elend, ein Weichling, ein Warmduscher, ein winselnder Wurm, der keinen Mumm mehr in den Knochen hat. Ha! Da lache ich. Meine Regierung hat in vier Wochen mehr Gesetze gemacht als die anderen in vier Jahren, und das, obwohl die Opposition mit ihren schändlichen politischen Manövern …«
Und so weiter, bla-bla-bla. Der Ministerpräsident war wieder ganz der Alte.
»Was war das denn?«, fragte Mama. »Ich dachte schon, er sei endlich zur Einsicht gekommen.«
Papa meinte: »Vielleicht hat ihm jemand eine Wahrheitspille in
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