Päpste pupsen nicht (German Edition)
Eloise.
»Das tun die immer. Soll so aussehen, als würden sie ständig an Gott denken. Aber vielleicht haben sie auch nur Bauchweh. Hallo, Papa.«
Eloises Vater stand kerzengerade an seinem Schreibtisch. »Hallo, ihr beiden«, sagte er mit schmerzverzerrtem Gesicht, »bittet mich jetzt nicht, eine Verbeugung zu machen. Ich habe einen Hexenschuss.« Eloises Vater, der Kommandant, ist der Leibwächter vom Papst. Aber mit sich selbst geht er weniger sorgfältig um. Sagt Eloise. Deswegen bekommt er vom Uniformtragen immer einen steifen Rücken. Er wäre eigentlich sowieso lieber Winzer geworden statt Kommandant der Vatikangarde, sagt Eloise.
»Papa, du brauchst dich nicht zu bewegen. Sag mir nur …«
»… wie alt du bist? Ich fühle mich gerade wie 158«, stöhnte der Kommandant.
»Papa, bitte, hör auf. Nein, sag mal, kennst du jemanden hier im Vatikan, der alt ist und sich mit Vögeln auskennt?«
»Wieso fragst du?«
»Wir brauchen das für die Schule.« (Wieder der alte Trick, ich sagte ja, der wirkt immer.)
»Ach so. Na, das kann nur der Prälat Dienstbier sein. Zimmer 50/25. Der sitzt oben in seinem Palazzo und baut irgendwelche Apparate, die mit Vögeln zu tun haben. Es heißt aber, er sei nicht mehr ganz helle im Kopf. Geht lieber nicht hin.«
»Danke, Paps.« Und schnell weg.
Vor dem Palast, wo der alte Prälat Dienstbier wohnen sollte, stand ein Wärterhäuschen. Mit Wärter darin. Der war aber damit beschäftigt, ein Kreuzworträtsel zu lösen. Wir bückten uns und schlichen unter seiner Loge vorbei bis zur nächsten Statue. Das Zimmer 50/25 war im fünften Stock. Der Fahrstuhl quietschte, und als wir ausstiegen, roch es im Gang nach Kantine und Bohnerwachs und alten Leuten.
Wir hörten jemanden hinter der Tür reden. Aber wir verstanden kein Wort. Ich klopfte. Das Reden wurde lauter. Ich klopfte fester.
»Ja, nun unterbrecht mich doch nicht, ich unterhalte mich doch gerade …«
Die Tür ging auf und im Rahmen stand ein vollständig kahler, etwas gebückter Opa in schwarzem Anzug mit weißem Kragen. Sonst war niemand in der Wohnung zu sehen. Der Alte schien nur für einen Augenblick überrascht, zwei fast elfjährige Mädchen vor seiner Tür zu sehen. Dann sagte er, ein wenig müde: »Ich hatte mich gerade so gut mit mir unterhalten, wisst ihr. Da lasse ich mich ungern stören. Ich bin zwar selten meiner Meinung, aber das macht ja nichts. Ich streite mich mit mir und dann vertragen wir uns auch wieder. Kommt doch rein. Obwohl ich jetzt wirklich gar keine Zeit habe. Was wollt ihr von mir? Wer hat euch eigentlich hier hereingelassen?« Eloise schaute mich an und sagte nichts. Ich hätte sie jetzt auch gern gefragt, was wir hier eigentlich taten.
»Ich bin die Tochter vom Kommandanten der Schweizergarde«, fing Eloise an und erzählte, dass wir einen Aufsatz über Starenschwärme schreiben sollten und jemand gesagt habe, dass er alles wisse über Schwärme und so weiter und so weiter.
»Egal, eigentlich kommt ihr wie gerufen. Oder«, der alte Mann bekreuzigte sich, »wie vom Herrgott geschickt. Geht ruhig schon mal rein, fürchtet euch nicht«, sagte Dienstbier etwas geschwollen und ging durch einen langen, mit Büchern zugepackten Gang. Die Wohnung sah überhaupt nicht so aus, wie man es immer in Geschichten liest oder bei Harry Potter sieht. Okay, es lagen stapelweise alte Bücher herum und an der Wand hingen Bilder von Heiligen. Aber ansonsten sahen die Räume nach einem computerbesessenen Teenager aus. Sirrende Rechner, Lampen, Bildschirme, gebrauchte Kaffeetassen, Drucker, Papierwirrwarr, auf dem Boden ein ganzes Spaghettiknäuel aus Kabeln, Drähten und mittendrin Mehrfachsteckdosen, deren Schalter rötlich leuchteten. Und überall Fotos von Vögelschwärmen. Vogelwolken in allen Formen. Auf manche Fotos war wild herumgekritzelt, Pfeile und rätselhafte Formeln und Zahlen.
Dann fragte er uns, ob wir einen Tee wollten, aber er wartete die Antwort gar nicht ab.
»Am besten fange ich ganz vorne an«, sagte Dienstbier dann. »Also, Sturnus vulgaris, der gemeine europäische Star. Aber in der Einzahl gibt es ihn nie. Jedenfalls nicht in Rom. Er ist nicht gern allein. Zu Zigtausenden bebildern die Vögel den Himmel. Man mag gar nicht mehr fortschauen, so schön ist es! Wie eine Tuschezeichnung am Himmel, gerade noch ein Kegel, dann plötzlich ein Schleier oder eine Blase, als hätte man ein Kaleidoskop geschüttelt, als würde ein Phantom über den Dächern toben, in Bändern und Wolken!
Weitere Kostenlose Bücher