Paganinis Fluch - Kepler, L: Paganinis Fluch - Paganinikontraktet
erregt immerhin jede Menge Aufmerksamkeit, aber er will gründlich sein und Gründlichkeit hat bei ihm oberste Priorität.«
Saga stützt sich mit den Händen auf den Oberschenkeln ab, Schweiß tropft von ihrem Gesicht.
»Natürlich hätten wir die Wohnungsbrände früher oder später mit dem Bootsunfall in Verbindung gebracht«, sagt sie und richtet sich auf.
»Aber da wäre es längst zu spät gewesen«, erwidert er. »Der Auftrag des Killers lautet, alle Spuren zu vernichten und alle Zeugen auszulöschen.«
»Aber jetzt haben wir das Foto und Penelope Fernandez«, sagt sie lächelnd. »Der Problemlöser hat die Probleme nicht gelöst.«
»Noch nicht …«
Sie schlägt lose und prüfend gegen einen Sandsack, der von der Decke herabhängt, und sieht Joona anschließend nachdenklich an.
»In meiner Ausbildung hat man uns einen Film von einem Banküberfall gezeigt, bei dem du einen Mann mit einer defekten Pistole unschädlich machst.«
»Ich hatte Glück«, antwortet er.
»Ja.«
Er lacht, und sie nähert sich ihm, trainiert ein wenig Fußarbeit, umkreist ihn und bleibt stehen. Sie streckt die Arme mit offenen Händen aus und begegnet seinem Blick. Sie winkt ihn mit den Fingern sanft zu sich. Sie will, dass er versucht, sie zu schlagen. Er lächelt und versteht die Anspielung auf Bruce Lee:die winkende Hand. Er schüttelt den Kopf, lässt sie aber nicht aus den Augen.
»Ich habe gesehen, wie du dich bewegst«, sagt er.
»Dann weißt du ja Bescheid«, antwortet sie kurz.
»Du bist schnell und könntest mit deinem ersten Schlag eventuell einen Treffer setzen, aber danach …«
»Bin ich verschwunden«, ergänzt sie.
»Gute Idee, aber …«
Sie wiederholt ihre Geste, lockt ihn zu sich, diesmal jedoch etwas ungeduldiger.
»Aber du wirst wahrscheinlich zu viel Schwung haben.«
»Nein«, widerspricht sie.
»Probier’s aus, und du wirst sehen«, erwidert Joona.
Sie winkt ihm zu, aber er beachtet sie nicht weiter, sondern kehrt ihr den Rücken zu und geht Richtung Tür. Sie verfolgt Joona schnell und schlägt einen rechten Haken. Er zieht nur den Kopf ein, sodass ihr Schlag über seinen Kopf hinwegzischt. Als Fortsetzung seiner minimalen Bewegung wirbelt er herum, zieht seine Pistole und bringt sie gleichzeitig zu Fall, indem er ihr in die Kniekehle tritt.
»Ich muss dir was sagen«, sagt Saga schnell.
»Du meinst, dass ich recht hatte.«
»Bild dir bloß nichts ein«, entgegnet sie wütend und steht auf.
»Wenn man sich seinem Gegner mit zu viel Schwung …«
»Ich hatte nicht zu viel Schwung«, unterbricht sie ihn. »Ich habe abgebremst, weil mir etwas Wichtiges eingefallen ist, das …«
»Verstehe«, sagt er lachend.
»Es ist mir scheißegal, was du glaubst«, fährt sie fort. »Aber mir ist die Idee gekommen, dass wir Penelope als Köder benutzen können.«
»Wovon redest du?«
»Mir ist eingefallen, dass sie in eine andere Wohnung verlegt werden soll, und als ich zuschlagen wollte, kam mir im selbenMoment eine Idee. Ich habe abgebremst, weil ich dich ja schlecht k . o. schlagen kann, wenn wir reden wollen.«
»Dann rede«, sagt er.
»Mir ist klar geworden, dass Penelope für den Killer ein Köder ist, ob wir es wollen oder nicht, sie wird ihn anlocken.«
Joona lächelt nicht mehr, nickt nur nachdenklich.
»Weiter.«
»Wir wissen nicht genau, ob er unseren Funkverkehr abhören kann, ob er alles hört, was über RAKEL gesagt wird … aber angesichts der Tatsache, dass er Penelope auf Kymmendö gefunden hat, liegt die Vermutung nahe.«
»Ja.«
»Er wird sie irgendwie finden, davon bin ich fest überzeugt. Und es ist ihm egal, dass sie unter Polizeischutz steht. Wir werden alles tun, um ihren Aufenthaltsort geheimzuhalten, aber, verdammt, es ist schlichtweg unmöglich, sie ohne Funkverkehr zu schützen.«
»Er wird sie finden«, bestätigt Joona.
»Ich habe mir Folgendes überlegt … Penelope wird so oder so zum Köder, bleibt die Frage, ob wir vorbereitet sein werden, wenn er kommt, oder ob wir es nicht sind. Wir werden sie natürlich wie geplant beschützen, aber wenn wir gleichzeitig die Fahndung darauf ansetzen, den Ort zu überwachen, könnten wir den Killer vielleicht fassen.«
»Das ist absolut richtig … du hast vollkommen recht«, sagt Joona.
76
Die sichere Wohnung
Carlos, Saga und Joona gehen eilig den langen Korridor hinab, der zu den Räumen des Staatsschutzes führt. Verner Zandén sitzt bereits auf einer weichen Couch und erwartet sie. Ohne Zeit mit einer Begrüßung
Weitere Kostenlose Bücher