Paganinis Fluch - Kepler, L: Paganinis Fluch - Paganinikontraktet
hört man Geräusche, Stimmen und ein kräftiges Poltern. Penelope weicht zurück, würde am liebsten weglaufen.
»Wir warten hier«, sagt Saga leise und zieht ihre Pistole.
Penelope muss daran denken, dass diese Botschaft im Frühjahr 1975 vom Kommando Holger Meins besetzt wurde. Die Terroristen hielten damals zwölf Menschen als Geiseln. Sie erinnert sich an die Forderung, Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und weitere dreiundzwanzig in Deutschland inhaftierte Mitglieder der RAF freizulassen. Durch diese Korridore sind sie gelaufen und haben sich angeschrien, durch diese Flure schleiften sie den Botschafter Dietrich Stoecker an den Haaren und stießen Heinz Hillegaarts blutigen Körper die Treppen hinunter. Penelope erinnert sich nicht mehr genau, wie damals die Verhandlungen abliefen, aber nachdem Bundeskanzler Helmut Schmidt dem schwedischen Premierminister Olof Palme mitgeteilt hatte, dass man die Forderungen der Geiselnehmer nichterfüllen würde, wurden zwei Geiseln erschossen. Karl-Heinz Dellwo schrie mit gellender Stimme, er werde stündlich eine Geisel erschießen, bis die Forderungen erfüllt sein würden.
Jetzt sieht Penelope, dass Joona Linna sich umdreht und zur Tür des Handelsattachés geht. Die beiden anderen Militärpolizisten rühren sich nicht von der Stelle. Joona zieht eine große, silbrig glänzende Pistole, entsichert sie und klopft anschließend an die Tür.
In dem Flur breitet sich ein Geruch aus, als würde auf einem Herd etwas anbrennen.
Joona klopft erneut, lauscht und hört eine monotone Stimme, die klingt, als wiederhole sie immer wieder dieselbe Phrase. Er wartet einige Sekunden, verbirgt die Pistole hinter seinem Körper und drückt die Klinke herunter.
Der Befehlshaber der Militärpolizisten steht direkt unter der Deckenlampe, das Sturmgewehr hängt von seiner Hüfte herab. Er wirft einen Blick auf Joona und wendet sich danach der Person zu, die am anderen Ende des Zimmers in einem Sessel sitzt.
»Herr Schenkel, das ist der schwedische Kommissar«, sagt er.
Bücher und volle Aktenordner liegen auf dem Fußboden verteilt, als wären sie in einem Wutanfall vom Schreibtisch gefegt worden. Handelsattaché Martin Schenkel sitzt in einem Sessel, den Blick auf den Fernseher gerichtet. Es läuft die Liveübertragung eines Spiels der deutschen Fußballnationalmannschaft, die in Peking gegen China spielt.
»Hatten Sie nicht Besuch von Roland Lindkvist?«, fragt Joona ruhig.
»Er ist gegangen«, antwortet Martin Schenkel, ohne den Bildschirm aus den Augen zu lassen.
Sie setzen ihren Weg durch den Korridor fort. Karl Mann ist jetzt schlechter gelaunt und kommandiert die beiden anderen Militärpolizistenmit kurz angebundener Stimme. Eine Frau in einem hellgrauen Strickkleid geht schnellen Schritts über die braune Abdeckpappe auf dem frisch abgeschliffenen Fußboden im nächsten Korridor.
»Wer ist das?«, erkundigt sich Joona.
»Die Sekretärin des Botschafters«, antwortet Karl Mann.
»Wir würden uns gerne mit ihr unterhalten und …«
Plötzlich ertönt im ganzen Gebäude ein heulender Alarmton, und eine Stimme vom Band erklärt auf Deutsch, dass es sich nicht um einen Probealarm handelt und alle auf der Stelle das Gebäude verlassen und nicht den Aufzug benutzen sollen.
84
Das Feuer
Karl Mann spricht schnell in sein Funkgerät und bewegt sich auf das Treppenhaus zu.
»In der oberen Etage brennt es«, sagt er kurz.
»Wie groß ist das Feuer?«, fragt Joona und bleibt auf einer Höhe mit Mann.
»Das wissen wir noch nicht, aber wir evakuieren die Botschaft, elf Personen halten sich dort oben auf.«
Karl Mann nimmt einen Feuerlöscher aus einem Schrank mit einer roten Tür und reißt den Sicherungssplint heraus.
»Ich gehe mit Penelope raus«, ruft Saga.
»Er hat das Feuer gelegt«, sagt Penelope. »Er wird verschwinden, während sie versuchen, das Feuer zu löschen.«
Joona begleitet die drei Militärpolizisten zum Treppenhaus. Ihre Schritte hallen zwischen den kahlen Betonwänden. Schweigend laufen sie die Treppe hinauf in den Korridor der nächsten Etage. Ihnen schlägt intensiver Rauchgeruch entgegen, graue Schleier wabern unter der Decke.
Karl Mann öffnet eine Tür und blickt in ein leeres Büro hinein. Joona öffnet die nächste Tür, aber dort ist auch niemand. Sie gehen weiter.
»Es scheint im Schillersaal zu brennen, hinter dem befindet sich eine Küche«, sagt Karl Mann und gibt die Richtung vor.
Am Ende des Flurs sickert schwarzer Rauch unter
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