Paganinis Fluch - Kepler, L: Paganinis Fluch - Paganinikontraktet
Penelope geht Richtung Flur und streicht sich die Haare aus dem Gesicht. Sie ist fast an der Tür, als sie durch die Milchglasscheibe die Silhouette sieht.
Sie bleibt abrupt stehen und betrachtet den Schatten durch die trübe Glasscheibe. Sie erkennt seine Körperhaltung, die Form von Kopf und Schultern.
Ihr bleibt die Luft weg.
Langsam weicht sie rückwärts zur Küche zurück, es zuckt in ihr, sie würde gerne losrennen, ihr Körper will laufen. Sie starrt die Glasscheibe an, das verschwommene Gesicht, das schmaleKinn. Ihr ist schwindlig, sie bewegt sich nach hinten, tritt auf Taschen und Stiefel und streckt die Hand aus, um sich an der Wand abzustützen. Ihre Finger gleiten über die Tapete und stoßen an den Spiegel, sodass er schief hängt.
Björn stellt sich neben sie, er hält ein Küchenmesser in der Hand, ein Tranchiermesser mit breiter Klinge. Seine Wangen sind bleich, der Mund steht halb offen, seine Augen starren auf die Glasscheibe.
Penelope stößt gegen eine Tischplatte und sieht gleichzeitig, dass die Klinke langsam heruntergedrückt wird. Schnell geht sie ins Badezimmer, dreht die Wasserhähne auf und ruft mit lauter Stimme.
»Herein! Die Tür ist offen!«
Björn zuckt zusammen, die Pulsschläge pochen in seinem Kopf, er hält das Messer vor sich ausgestreckt und ist bereit, sich zu verteidigen oder anzugreifen, als er sieht, dass der Verfolger die Klinke vorsichtig wieder loslässt. Die Silhouette verschwindet vom Fenster, und wenige Sekunden später hören sie auf dem Steinplattenweg neben dem Haus Schritte. Penelope kommt aus dem Badezimmer. Er zeigt auf das Fenster im Wohnzimmer, und sie verziehen sich in die Küche und hören den Mann über die hölzerne Veranda gehen. Die Schritte führen am Fenster vorbei und erreichen die Verandatür. Penelope fragt sich, was der Verfolger sehen kann, ob er die herumliegenden Schuhe im Flur und Björns Blutspur auf dem Fußboden aus diesem Winkel und in diesem Licht erkennen kann. Die Holzfläche draußen reibt sich knarrend an der Treppe, die auf die Rückseite hinunterführt. Der Mann geht um das Haus herum, ist auf dem Weg zum Küchenfenster. Björn und Penelope legen sich auf den Boden, rollen sich direkt unter dem Fenster dicht an die Wand. Sie versuchen, still zu liegen, lautlos zu atmen. Sie hören ihn ans Fenster treten, seine Hände wischen über das Fensterblech, und sie begreifen, dass er in die Küche sieht.
Penelope entdeckt, dass sich das Fenster in der Glasscheibe der Ofenluke spiegelt, und kann in dem Spiegelbild sehen, wie der Verfolger suchend den Blick durch den Raum schweifen lässt. Er könnte ihren Augen begegnen, wenn er auf die Luke sähe. Bald wird ihm klar sein, dass sie sich in diesem Haus verstecken.
Das Gesicht am Fenster verschwindet, und sie hören erneut Schritte auf der Holzterrasse, diesmal entfernen sie sich in Richtung des Plattenwegs, der auf die Vorderseite führt. Als die Haustür geöffnet wird, bewegt sich Björn schnell zur Küchentür, legt leise das Messer fort, dreht den Schlüssel, der im Schloss steckt, stößt die Tür auf und läuft aus dem Haus.
Penelope folgt ihm in den kühlen Morgen hinaus. Sie laufen über den Rasen, am Komposthaufen vorbei und in den Wald hinein. Dort ist es noch dunkel, aber das flache Licht der Morgendämmerung findet mehr und mehr den Weg zwischen die Bäume. Die Angst holt Penelope ein, stößt sie voran, wirbelt die Panik in ihrer Brust wieder auf. Sie weicht dickeren Ästen aus, springt über flache Sträucher oder Steine. Schräg hinter sich hört sie Björn, seine heftigen Atemzüge. Und hinter ihm ahnt sie unvermindert den anderen, den Mann, der ihr wie ein Schatten vorkommt. Er folgt ihnen, und sie weiß, dass er sie töten will, sobald er sie gefunden hat. Sie erinnert sich an etwas, was sie einmal irgendwo gelesen hat. Es ging um eine Frau in Ruanda, die den Völkermord der Hutu an den Tutsis überlebte, indem sie sich in den Sümpfen versteckte und jeden Tag lief, während all der Monate lief, die der Völkermord andauerte. Ihre früheren Nachbarn und Freunde verfolgten sie mit Macheten. Wir haben die Antilopen nachgeahmt, hatte die Frau in dem Buch erklärt. Wir Überlebenden im Dschungel ahmten die Flucht der Antilopen vor den Raubtieren nach. Wir liefen, entschieden uns für unerwartete Wege, teilten uns auf und wechselten die Richtung, um unsere Verfolger zu verwirren.
Penelope weiß, dass es vollkommen falsch ist, wie Björn und sie fliehen. Sie laufen
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