Paganinis Fluch - Kepler, L: Paganinis Fluch - Paganinikontraktet
hat er kaum geschlafen.
Das Display zeigt ihm an, dass es eine Telefonnummer aus der Kanzlei der Ministerien ist. Er räuspert sich kurz, ehe er sich mit ruhiger Stimme meldet.
»Axel Riessen.«
»Hallo, hier spricht Jörgen Grünlicht, ich bin Vorsitzender der Beratungsgruppe der Regierung in außenpolitischen Fragen, wie Sie vielleicht wissen.«
»Guten Abend.«
»Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie so spät noch anrufe.«
»Ich bin wach.«
»Man hat mir gesagt, dass Sie wach sein würden«, erwidert Jörgen Grünlicht und zögert kurz, ehe er weiterspricht. »Ich komme gerade von einer außerordentlichen Vorstandssitzung, bei der wir beschlossen haben, Ihnen den Posten als Generaldirektor der Staatlichen Waffenkontrollbehörde anzubieten.«
»Ich verstehe.«
Es wird für einen Moment still am Telefon. Dann sagt Grünlicht schnell:
»Ich setze voraus, dass Sie wissen, was mit Carl Palmcrona passiert ist.«
»Ich habe in der Zeitung davon gelesen.«
Grünlicht räuspert sich leise und sagt etwas, das Axel nicht verstehen kann. Dann spricht der Mann wieder lauter.
»Sie sind ja gut über unsere Arbeit unterrichtet und könnten den Posten – vorausgesetzt, Sie akzeptieren unseren Vorschlag – sehr schnell übernehmen.«
»Ich muss meinen Auftrag für die Vereinten Nationen noch zu Ende führen«, antwortet Axel.
»Ist das ein Problem?«, erkundigt sich Grünlicht mit sorgenvoller Stimme.
»Nein.«
»Sie wollen sich natürlich erst die Konditionen ansehen, aber … Es gibt darin nichts, was nicht verhandelbar wäre«, erläutert Grünlicht.»Sie werden sicher schon verstanden haben, wie gerne wir Sie mit im Boot hätten, es ist sinnlos zu versuchen, daraus ein Geheimnis zu machen.«
»Lassen Sie mich über Ihr Angebot nachdenken.«
»Hätten Sie morgen früh Zeit für ein Treffen?«
»Ist es so eilig?«
»Wir nehmen uns alle Zeit, die wir brauchen«, antwortet Grünlicht. »Aber natürlich … Angesichts der Dinge, die passiert sind … Das Handelsministerium macht ein wenig Druck wegen einer Sache, die sich ohnehin schon hingezogen hat.«
»Worum geht es?«
»Nichts Besonderes … Es handelt sich um eine Ausfuhrerlaubnis. Der vorläufige Bescheid war positiv, der Exportkontrollrat hat das Seine getan, die Beschlussvorlage ist fertiggestellt, aber Palmcrona ist nicht mehr dazu gekommen, die Dokumente zu unterschreiben.«
»Und das muss er tun?«, fragt Axel.
»Nur der Generaldirektor kann den Export von Verteidigungsmaterial oder von Produkten mit doppelten Verwendungsbereichen genehmigen«, erläutert Jörgen Grünlicht.
»Aber die Regierung genehmigt doch auch gewisse Geschäfte?«
»Nur wenn der Generaldirektor der Kontrollbehörde beschlossen hat, die Sache der Regierung zur Entscheidung vorzulegen.«
»Ich verstehe.«
Elf Jahre hat Axel Riessen als Waffeninspektor für das Außenministerium gearbeitet, ehe er von der UNODA , dem United Nations Office for Disarmament Affairs, angestellt wurde. Heute ist er eine Art senior advisor in der Division of Analysis and Assessment. Riessen ist erst einundfünfzig Jahre alt, seine grau melierten Haare sind noch dicht, seine Gesichtszüge ebenmäßig und freundlich. Er ist sonnengebräunt von seinem Urlaub in Kapstadt, wo er ein Segelboot gemietet und allein an der atemberaubenden Steilküste entlanggesegelt ist.
Axel geht in seine Bibliothek, setzt sich in den Lesesessel, schließt die brennenden Augenlider und denkt darüber nach, dass Carl Palmcrona tot ist. Am Morgen hat eine kurze Notiz über sein Ableben in der Tageszeitung Dagens Nyheter gestanden. Es war nicht ganz leicht zu verstehen, was geschehen ist, aber irgendwie deutete der Text an, dass es ein plötzlicher und unerwarteter Tod war. Er war nicht krank, das hätte man herausgelesen. Sie sind sich im Laufe der Jahre viele Male begegnet. Sie sind beide als Sachverständige bei der Beratung der Gesetzesvorlage gehört worden, die zu dem Regierungsbeschluss geführt hat, die Waffenkontrolle und die Strategische Exportkontrolle bei der Kanzlei der Ministerien in einer Behörde zusammenzufassen, der Staatlichen Waffenkontrollbehörde.
Und jetzt ist Carl Palmcrona tot. Axel sieht den großen, blassen Mann mit den militärisch kurz geschnittenen Haaren und seiner Aura von Einsamkeit vor sich.
Dann regt sich Sorge in ihm. Es ist zu still in den Zimmern. Axel steht auf und wirft einen Blick in die Wohnung hinein, lauscht.
»Beverly?«, ruft er leise. »Beverly?«
Sie antwortet nicht.
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