Paganinis Fluch - Kepler, L: Paganinis Fluch - Paganinikontraktet
wo die Insel dichter besiedelt ist. Es kann nicht mehr weit sein bis dorthin. Sie humpelt ein paar Schritte und folgt ihm. Zwischen den glatten Reifenspuren verläuft ein Streifen aus grobem Schotter mit einzelnen Grashalmen. Der Weg beschreibt eine Kurve um ein Birkenwäldchen herum. Sie laufen nebeneinander, und als sie die weißen Stämme hinter sich gelassen haben, sehen sie plötzlich zwei Menschen. Eine ungefähr zwanzigjährige Frau in einem kurzen Tennisdress und einen Mann mit einem roten Motorrad. Penelope zieht den Reißverschluss ihrer engen Kapuzenjacke zu und versucht, ruhiger durch die Nase zu atmen.
»Hallo«, sagt sie.
Die beiden sehen sie an, und Penelope kann ihre Blicke verstehen. Björn und sie sind blutig und verdreckt.
»Wir hatten einen Unfall«, sagt sie schnell zwischen den Atemzügen. »Wir würden uns gerne kurz ein Handy leihen.«
Schmetterlinge der Art Kleiner Fuchs flattern über Weißem Gänsefuß und Schachtelhalmen im Straßengraben.
»Okay«, sagt der junge Mann, sucht sein Telefon heraus und überlässt es Penelope.
»Danke«, sagt Björn und blickt die Straße hinunter und in den Wald hinein.
»Was ist denn passiert?«, fragt der junge Mann.
Penelope weiß nicht recht, was sie erwidern soll, sie muss schlucken, Tränen laufen ihre schmutzigen Wangen herab.
»Ein Unfall«, antwortet Björn.
»Ich kenne sie«, sagt das Mädchen in dem Tenniskleid zu ihrem Freund. »Das ist doch die Frau, die wir im Fernsehen gesehen haben.«
»Wer?«
»Die diesen Bockmist über schwedische Exporte verzapft hat.«
Penelope versucht, ihr zuzulächeln, während sie die Nummer ihrer Mutter wählt. Ihre Hände sind zu zittrig, und sie vertippt sich, sie bricht den Versuch ab und beginnt noch einmal von vorn. Die junge Frau flüstert dem jungen Mann etwas ins Ohr.
Es knackt im Wald, und Penelope glaubt, jemanden zwischen den Bäumen zu sehen. Ehe sie erkennt, dass sie sich geirrt hat, denkt sie kurz, dass der Verfolger sie finden wird, dass er von dem Haus aus ihrer Spur gefolgt ist. Als sie das Handy ans Ohr hebt, zittert ihre Hand so sehr, dass sie fürchtet, es zu verlieren.
»Darf ich Ihnen mal eine Frage stellen?«, sagt die Frau mit angespannter Stimme zu Penelope. »Finden Sie, dass Menschen, die hart arbeiten, die vielleicht sechzig Stunden in der Woche arbeiten, für Leute bezahlen sollen, die keine Lust zum Arbeiten haben, die nur vor dem Fernseher hocken?«
Penelope begreift nicht, was die junge Frau ihr damit sagen will, warum sie so wütend ist. Sie ist unfähig, sich auf die Frage zu konzentrieren, versteht den Zusammenhang nicht. Ihre Gedanken drehen sich unablässig im Kreis, erneut schweift ihr Blick zwischen die Bäume, und sie hört ferne, knisternde Ruftöne.
»Soll es sich etwa nicht mehr lohnen zu arbeiten?«, fragt die Frau mit aufgebrachter Stimme.
Penelope sieht zu Björn hinüber und hofft, dass er ihr helfen und der jungen Frau eine Antwort geben wird, die sie zufriedenstellt. Sie stöhnt auf, als sie die Stimme ihrer Mutter auf dem Anrufbeantworter hört:
»Dies ist der Anschluss von Claudia Fernandez – ich bin zurzeit leider nicht erreichbar. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht, ich rufe Sie dann so schnell wie möglich zurück …«
Tränen laufen ihre Wangen herab, ihre Knie geben fast nach, sie ist schrecklich müde. Sie hält eine Hand hoch, um der Frau anzuzeigen, dass sie gerade nicht sprechen kann.
»Wir haben unsere Handys von dem Geld gekauft, das wirselbst verdient haben«, sagt die junge Frau. »Also wirst du auch eigenes Geld verdienen und dir ein Telefon kaufen müssen …«
Es knistert in dem Handy, der Empfang ist schlecht, sie macht ein paar Schritte, aber er wird nur noch schlechter, das Telefon stottert, verstummt, und Penelope weiß nicht, ob die Verbindung unterbrochen ist, als sie spricht:
»Mama, ich brauche Hilfe, ich werde verfolgt von …«
Plötzlich flucht die junge Frau, reißt ihr das Telefon aus der Hand und gibt es dem jungen Mann.
»Suchen Sie sich einen Job«, sagt er.
Penelope taumelt, sieht verwirrt das junge Paar an. Die Frau setzt sich hinter dem Mann auf das Motorrad und schlingt die Arme um seine Taille.
»Bitte«, fleht Penelope. »Wir müssen wirklich …«
Ihre Stimme wird vom Lärm des Motorrads übertönt, das anfährt, dessen Hinterrad durchdreht und Kies aufwirbelt. Björn ruft, sie sollen warten. Sie laufen dem Paar hinterher, aber das Motorrad verschwindet in Richtung Skinnardal.
»Björn«, sagt
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