Pain - Bitter sollst du buessen
Kerzen. »Heiliger Strohsack.«
»Das hat mit diesem Mädchen, dieser Annie zu tun«, sagte Melanie und schluckte heftig.
Sam drängte sich an ihr vorbei und trat an den Tisch. Ihr Kopf dröhnte, ihr Puls raste. »Wer hat das getan?«, fragte sie. »Wer ist hier eingedrungen und hat das Ding hier abgestellt?«
»Ich … ich … weiß es nicht.«
HAPPY BIRTHDAY , ANNIE war in roten Buchstaben auf den weißen Zuckerguss geschrieben. Die Kerzen brannten, und rotes Wachs tropfte an den Seiten der Torte hinab wie Blut. Rauch erhob sich spiralförmig von den kleinen Flammen.
»Soll das ein Witz sein?«, schnappte Sam mit einem bösen Blick auf das Arrangement. Sie zählte. Fünfundzwanzig Kerzen. So alt wäre Annie heute geworden. »Hast du das getan, Melanie?«
»Ich? Bist du verrückt geworden?« Melanie schüttelte den Kopf. »Ich … ich war die ganze Nacht im Studio. Das weißt du doch! Du warst schließlich auch da …« Ihr Gesicht verzog sich, und sie blinzelte, als wollte sie weinen. »Wie kannst du nur glauben …«
Sam hörte nicht zu. »Tiny!«, schrie sie und stapfte hinaus in den Flur. Das Blut rauschte ihr in den Ohren; Zorn, Abscheu und Beschämung trieben sie in das Studio, wo Tiny die Lautstärke der aufgezeichneten Sendung einstellte. Er hob den Blick, sah Sam und streckte einen Finger, um sie zur Ruhe zu mahnen. Sie ballte die Hände zu Fäusten, und es kostete sie gewaltige Selbstbeherrschung, nicht in die Kabine zu stürmen und Tiny in der Luft zu zerreißen. Als er schließlich auf den Flur herausgeschlendert kam, hatte sie die Fingernägel tief in die Handflächen gegraben. Sie kochte vor Wut.
»Du siehst aus, als wolltest du Feuer spucken.«
»Das würde ich auch gern«, fauchte sie wütend. »Ich habe die Torte gefunden.«
»Die Torte«, wiederholte er tonlos. »Welche Torte?«
»Annie Segers Geburtstagstorte.«
»Das Mädchen, das neulich angerufen hat? Was redest du da?« Er wirkte aufrichtig verstört.
»Weißt du das etwa nicht?«
»Um Himmels willen, Sam, du redest wirres Zeug.«
Sein Gesicht war rot angelaufen. Vor Wut? Vor Reue?
Melanie war Sam über den Flur gefolgt. »Schau es dir lieber mit eigenen Augen an.«
»O Mann, was ist denn jetzt schon wieder?« Mit verkniffenen Lippen, Schweißperlen auf der pockennarbigen Haut, stampfte Tiny durch das Labyrinth der Gänge in Richtung Küche. Sam folgte ihm dicht auf den Fersen. In der Küche blieb er wie angewurzelt stehen. »Was zum … Scheiße.«
»Genau«, sagte Sam.
»Aber wer hat das getan? Wie konnte überhaupt jemand –« Er stockte und wandte sich um. Er war blass geworden, und seine roten Pickel traten noch deutlicher hervor.
»Ich vermute, das warst entweder du oder Melanie. Außer euch ist hier kein Mensch.«
»Abgesehen vom Sicherheitsdienst«, konterte Melanie.
»Der Mann kennt mich nicht einmal.« Sam glaubte nicht, dass jener dahintersteckte, obwohl sie sich ebenso wenig vorstellen konnte, warum Melanie oder Tiny sie auf diese Art und Weise fertig machen sollten. Melanie war ihre Assistentin und ihre Freundin, der sie ihren Job, ihr Haus und ihre Katze anvertraute, wenn sie in Urlaub war, und Tiny war seit der Minute, da sie die Räume von WSLJ betreten hatte, in sie verknallt. Er war zu klug, um auf Schuljungenniveau zu sinken, nur, weil er ihre Aufmerksamkeit erregen wollte.
Aber wer dann?
Melanie sagte: »Der Wachmann hat sich vielleicht dazu überreden lassen.«
Tiny schien ehrlich empört zu sein. »Willst du mich bezichtigen, Sam? Glaubst du wirklich, ich würde dir so etwas … antun?«, fragte er mit wundem Blick hinter seinen starken Brillengläsern.
»Ich weiß es nicht.« Es erschien ihr tatsächlich weit hergeholt. Irrational. Falls derjenige, der die Torte hier abgeliefert hatte, sie nervös machen wollte, war ihm das gelungen.
»Gator war noch vor knapp einer Stunde hier, und Ramblin’ Rob ebenfalls. Ich habe ihn am Schallplattenlager gesehen, wo er nach verstaubten Oldies für seine morgige Sendung gestöbert hat«, erklärte Tiny.
»Der Boss war vor einiger Zeit auch noch hier. Ich habe George in seinem Büro telefonieren sehen«, fügte Melanie hinzu.
»Toll.« Also kam die Hälfte der Belegschaft als Täter infrage.
»Vertraust du mir nicht?«, wollte Tiny wissen. Er sog die Lippen ein und schaute Sam an, als hieße sie Judas.
»Natürlich vertraue ich dir.«
»Dann unterlass diese Verdächtigungen!«
»Jetzt sieh nicht mich so an«, blaffte Melanie und wich mit erhobenen
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