Pain - Bitter sollst du buessen
das sich von einem unkonventionellen Lehrer umgarnen ließ – von einem gut aussehenden, verwegenen Schuft mit brillantem Verstand und betörendem Lächeln.
»Ist er noch dort? An der Tulane-Universität?« Bentz hob den Blick von seinen Notizen.
»Soweit ich weiß, ja.« Sie las die Fragen in den Augen des Detectives. »Jeremy und ich haben keinen Kontakt mehr. Schon seit Jahren nicht. Wir haben keine Kinder, und er hat bald nach unserer Scheidung wieder geheiratet. Darüber hinaus weiß ich nichts über ihn.«
»Aber Sie leben in derselben Stadt«, wandte Bentz ein.
»Großstadt. New Orleans ist riesig, und ich habe eine Zeit lang woanders gewohnt. In Houston.«
»Waren Sie da noch verheiratet?«
»Zuerst ja, aber die Ehe stand schon kurz vor dem Ende. Ich dachte, es könnte eine vorübergehende Trennung sein, doch es ergab sich anders. Ich bin in Houston geblieben, und wir haben uns scheiden lassen.« Sie schaute aus dem Fenster, wollte nicht an diese Jahre denken.
»Danach haben Sie nicht wieder geheiratet?«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf und lehnte sich im Sessel zurück. Ein Blick auf die Uhr über dem bogenförmigen Durchgang zur Küche sagte ihr, dass Ty vor über einer Stunde zu seinem Haus hinübergegangen war. Er hatte versprochen, noch heute oder aber morgen zurückzukommen. Sie hoffte, dass er nicht gleich an der Tür erschien, denn sie wusste wirklich nicht, wie sie dem Polizisten erklären sollte, wer er war.
»Hatten Sie in der letzten Zeit eine feste Beziehung?«, wollte Bentz wissen, und Sam wurde zurückgeholt in die Realität dieser Inquisition.
Jetzt geht’s los,
dachte sie, und ihr wurde klar, dass sie die Polizei zunächst nicht hatte einschalten wollen, um David nicht in die Sache hineinzuziehen. »Nein, aber ich hatte nach meiner Ehe ein paar Freunde.«
»Auch einen mit Namen John?«
»Nein. Die beiden Johns, von denen ich Ihnen erzählt habe, waren die Einzigen. Seitdem gab es keinen John in meinem Leben.«
Er notierte noch etwas in seinem Buch, und plötzlich stolzierte Charon aus der Küche ins Wohnzimmer, ein schwarzer Schatten, der sich unter dem Tisch verbarg und zwischen den Stuhlbeinen hindurchspähte. »Die Katze gehört Ihnen?«
»Ja. Ich habe Charon vor drei Jahren bekommen.«
»Und das Boot?« Er sah durch die offenen Fenstertüren an den Bäumen vorbei zum Anleger, an dem Tys Schaluppe festgemacht war. Die Masten waren in der zunehmenden Dunkelheit noch gut zu erkennen.
»Nein. Es gehört einem Freund … oder vielmehr einem Nachbarn.« Sie erklärte den Sachverhalt, und der Polizist hörte auf zu schreiben und starrte sie an, als hätte sie behauptet, sie wäre vom Jupiter hergeflogen.
»Also ist er ein Fremder für Sie?«
»Ja, aber … Er hat gesagt, er würde heute noch oder auch morgen zurückkommen und das Boot abholen. Er wohnt ein Stück die Straße hinunter.«
Bentz furchte die Stirn. »Lassen Sie sich von mir einen Rat geben: Schließen Sie die Türen ab, schalten Sie das Alarmsystem ein, gehen Sie nicht allein aus, und holen Sie sich keine Fremden ins Haus. Auch keine Nachbarn.«
Er fuhr sich mit steifen Fingern durchs Haar und schob sich die braunen Locken aus der Stirn. Offenbar wollte er noch mehr sagen, wollte ihr womöglich eine Standpauke halten, doch er überlegte es sich anscheinend anders.
»Ich denke, Sie haben verstanden. Gibt es irgendjemanden, den Sie als Ihren Feind betrachten würden?«
»›Feind‹ ist ein ziemlich harter Begriff.«
Er zuckte mit den Schultern.
»Die einzige Person, die mir dazu einfällt, ist Trish LaBelle, und die würde ich nicht als Feindin bezeichnen, sondern eher als Rivalin. Sie arbeitet bei WNAB , moderiert eine ähnliche Sendung wie ich. Es gibt Gerede über eine Art Fehde zwischen uns, aber im Allgemeinen gehen wir uns einfach aus dem Weg, falls wir bei gesellschaftlichen oder karitativen Anlässen zusammentreffen. Ich glaube nicht, dass sie hinter dieser Sache stecken könnte. Das würde auch kaum einen Sinn ergeben, denn diese Anrufe lassen die Zuhörerquoten in die Höhe schnellen. Die Hörer sind gespannt. Das entspricht der Mentalität von Schaulustigen, die sich um ein brennendes Gebäude versammeln, oder von Autofahrern, die bei einem Unfall gaffen.«
»Also wäre es plausibler, wenn jemand von Ihrem eigenen Sender dahintersteckte, um die Quoten in die Höhe zu treiben?«
»Ausgeschlossen! Das … das ist widerwärtig. Wer würde eine Angestellte terrorisieren, um mehr Hörer zu
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