Pain - Bitter sollst du buessen
ein Zwölfjähriger sterben müssen. Die Familie hatte ihn verklagt, mit Recht, und Bentz war mit einer Bewährungsstrafe davongekommen. Er hätte vielleicht sogar seine Dienstmarke zurückerhalten – wenn er nicht ein paar Jahre lang dem Alkohol verfallen gewesen wäre. Die maßgeblichen Kräfte im Los Angeles Police Department waren zu dem Schluss gelangt, dass er mehr Ärger brachte, als er wert war – eine Medienkatastrophe. »Ja«, sagte er jetzt als Antwort auf die Frage des jüngeren Polizisten. »Ich kenne mich aus in dem Scheißmetier.« In jeder Beziehung. Und es stinkt.
»Also erzähl mir nicht so einen Blödsinn, es wäre nur ein Glückstreffer gewesen, dass du den Job gekriegt hast. Jaskiel hat dich eingestellt, damit du die Fälle bearbeitest, die sie dir übergibt, weil sie Vertrauen in dich hat, weil sie weiß, dass du dir rund um die Uhr den Arsch aufreißt. So, wie ich das sehe, brauchst du sowieso keine Freizeit. Was erwartet dich denn schon zu Hause?«, fragte Montoya. »Da deine Kleine jetzt bald aufs College geht, hast du keinen Grund mehr, abends nach Hause zu kommen, oder?«
»Noch wohnt Kristi zu Hause«, wandte Bentz ein und dachte an seine Tochter, das Einzige, was ihm von seiner Familie geblieben war. Kristis Mutter, Jennifer, war tot. Sie hatte sich schon vor langer Zeit von Bentz scheiden lassen, und alle Welt glaubte, sein Job wäre der Grund gewesen, was zum großen Teil auch zutraf. Aber natürlich steckte noch mehr dahinter. Bentz war mit einem einzigen, wunderbaren Kind und mit einem Geheimnis zurückgeblieben, das er nie lüften würde. Er warf nun einen Blick auf den Doppelrahmen auf seinem Schreibtisch. Eins der Bilder zeigte Kristi im Alter von fünf Jahren, an ihrem ersten Tag im Kindergarten, das andere war ihr Highschool-Abschlussfoto, aufgenommen im vergangenen September. Es erschien ihm unfassbar, dass sie schon achtzehn war und bald nach Baton Rouge ziehen würde. »Sie geht erst im nächsten Monat aufs All Saints.«
Montoya lehnte sich mit der Hüfte gegen Ricks Schreibtisch, ergriff einen Brieföffner und drehte ihn zwischen den Fingern. »Du meinst also, dieser Stalker, der die Psychologin anruft, ist gefährlich?«
Rick dachte an das verstümmelte Werbefoto und reichte Reuben eine Kopie davon. »Sieht ganz so aus.«
Montoya biss die Zähne zusammen. »Wer das getan hat, der ist eindeutig nicht ganz richtig im Kopf.«
»Ja, alles in allem würde ich sagen: Der Typ ist gefährlich.«
»Aber –«
»Aber es könnte auch nur Show sein. Für die Publicity. Seit dem ersten Vorfall sind die Hörerzahlen von ›Mitternachtsbeichte‹ in die Höhe geschossen. Der Sender steckt schon seit ein paar Jahren in einer Finanzkrise. George Hannah hat WSLJ gekauft, hat geglaubt, er könnte das Ruder herumreißen, aber es klappte nicht. Vielleicht ist es wirklich nur ein Werbetrick.« Aber das hielt Rick für unwahrscheinlich.
Montoya betrachtete die Fotokopie und zog eine Grimasse. »Trotzdem ist das eine verdammt perverse Scheiße.«
»Ja. Ich warte auf den Bericht zu dem Foto – habe mir die Originale von der Polizei in Cambrai schicken lassen und sie ans Labor weitergereicht.«
Sein Kollege hob das Foto hoch. »Weißt du, woran mich das hier erinnert?«
Bentz war seinem jungen Partner schon einen Schritt voraus. »An die Hunderterscheine mit den geschwärzten Augen.«
»Könnte derselbe Kerl sein.«
»Habe ich mir auch schon überlegt. Hab’s sogar in mein Protokoll geschrieben. Aber hätte der Typ die Augen dann nicht einfach mit einem Filzstift übermalt, wie auf den Geldscheinen?«
»Könnte man meinen … Aber vielleicht ist dieser Mistkerl schlauer, als wir denken.«
»Es ist weit hergeholt«, gab Bentz zu bedenken.
»Aber möglich, sonst hättest du nicht darüber nachgedacht«, konterte Montoya.
Bentz griff nach seinem Kaffeebecher. Der Kaffee war lauwarm und dünn. »Ich will nichts ausschließen.« Im Grunde bereitete ihm das Foto mit den ausgestochenen Augen mehr Sorgen als die Anrufe beim Sender. Er hatte ein schlechtes Gefühl dabei, ein sehr schlechtes. War der Kerl ein Scherzkeks, oder würde er weitergehen? Und was war mit der Psychologin? Samantha Leeds hätte außer sich sein müssen vor Angst, stattdessen erlaubte sie einem fremden Nachbarn, sein verdammtes Boot an ihrem Anleger festzumachen.
Reuben ließ das Foto mit den ausgestochenen Augen auf einen Aktenstapel fallen. »Und was gibt es Neues über unseren Serienmörder?«
»Nur wenig. An
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