Pakt der Könige
zweien, wenn kein Wasser mehr im Schlauch war …
Als der Abend sich herabsenkte, waren sie alle noch am Leben, und Marikani war kein weiteres Mal gestürzt. Als sie aufs Neue im Sand zusammenbrachen, während
sich über ihnen der Himmel in einen Ozean verwandelte und die Temperatur erträglich wurde, wurde sich Arekh bewusst, was für ein Wunder diese einfache Tatsache war. Das Schicksal meinte es gut mit ihnen - und das half ihnen kein bisschen. Dass Marikani trotz der erlittenen Folterungen und trotz ihrer Wunden bis hierher hatte gehen können, dass das Kind noch nicht ohnmächtig geworden war, dass noch Wasser im Schlauch war - all das war ein Wunder, und all das war vollkommen nutzlos. Morgen würden sie sterben. Sie hatten ihre letzten Kräfte erschöpft, ihre letzte Energie mobilisiert … nur, um einige Meilen Wüste zu durchqueren, die sie nirgendwohin führen würden und sie an nichts näher heranbrachten.
Die Nacht war eisig. Marikani lag im Fieber und murmelte Wörter, Namen. Von Zeit zu Zeit wurde sie von einem Krampf geschüttelt, fuhr hoch und riss die Augen auf, starrte vor sich hin, bevor sie wieder zu Boden sank.
Am Morgen gab Arekh den beiden noch einmal zu trinken. Der Schlauch war noch halb voll, aber es war nicht nur eine Frage des Wassers. Die Hitze und die Erschöpfung würden sie töten, bevor sie einen Unterschlupf erreicht hatten, denn es gab hier nichts, nur meilenweit Wüste, die sich endlos auszudehnen schien.
Die Sonne stieg am Himmel empor, und als sie zu sinken begann, waren sie noch immer am Leben. Waren sie vorangekommen? Schwer zu sagen in dieser Landschaft, die sich nie wandelte. Sie waren nur Ameisen, überhitzte Ameisen, die die wahnsinnige Hoffnung hegten, ein unendliches Dünenmeer durchqueren zu können.
Im Laufe des Nachmittags fiel Marikani so oft hin, dass es offensichtlich wurde, dass sie den Tag nicht überstehen würde. Dennoch richtete Arekh sie jedes Mal wieder auf,
verfluchte sie, verfluchte den Irrsinn, der ihn dazu getrieben hatte, alles aufs Spiel zu setzen, sein Leben ebenso wie das des Kindes an seiner Seite. Warum? Um Marikani vor der Folter zu retten, nur damit sie in dieser Wüste verdurstete? Was hatte er damit für sie gewonnen? Er begann nervös zu lachen, als er sich erinnerte, was Marikani vor Ewigkeiten gesagt hatte, als Mîn, der Jugendliche, den sie vor dem Ertrinken gerettet hatte, beinahe an seiner entzündeten Wunde gestorben war. Arekh hatte ihr versichert, dass sie unrecht hätte. Dass sie durch ihr Eingreifen ins Schicksal den Jungen nur vor einem einfachen Tod bewahrt hatte, um ihn einem weitaus schmerzhafteren Sterben auszuliefern …
Und genau den gleichen Fehler hatte er jetzt selbst begangen.
Ich muss nachdenken , sagte er sich, obwohl sein Kopf vor Fieber glühte. Marikani war verloren, in jeglicher Hinsicht verloren: Sie hatte zu viel Blut verloren, sie würde die Reise nicht überleben, selbst wenn es ihnen wie durch ein Wunder - durch den Segen der Götter, wie er früher gesagt hätte - gelang, eine Oase zu erreichen. Was für eine Zukunft wartete schon auf sie? Sie würde sofort getötet werden, wenn man sie erkannte. Wenn Arekh das kleine Mädchen retten wollte - und das wollte er unbedingt, ohne zu wissen, warum -, musste er Marikani im Stich lassen. Ihr vielleicht die Kehle durchschneiden, um ihre Qualen zu verkürzen, aber er durfte nicht noch einen Tropfen Wasser an sie verschwenden. Jeder Schluck, den er ihr gab, jeder Augenblick, den sie verloren, besiegelte ihrer beider Schicksal, besiegelte vor allem das der Kleinen, die so tapfer hinter ihm herstapfte, obwohl ihre einst milchweiße Haut sonnenverbrannt war.
Die eine im Stich lassen, um die andere zu retten …
Das war die einzig vernünftige Lösung, und Marikani hätte - töricht, wie sie nun einmal war - sicher selbst vorgeschlagen, sich für das Kind zu opfern, wie Arekh mit einem gewissen Zorn dachte.
Ja, es war die einzige Lösung.
Marikani stürzte wieder einmal, und er zog sein Messer.
Die Kleine erstarrte; sie hatte die blauen Augen weit aufgerissen.
Arekh kauerte sich neben Marikani, legte ihr die Klinge an die Kehle …
… und stand wieder auf.
Er konnte es nicht. Diese einfache Bewegung, die eher von Mitgefühl als von Gewalttätigkeit gezeugt hätte, war ihm unmöglich, und er begann zu lachen, aus vollem Halse zu lachen, denn jetzt war wirklich alles, woran er je geglaubt hatte, zerstört worden.
Er hatte an die Götter geglaubt, und Marikani
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