Pakt der Könige
Geist gebrannt, und so war er langsam nach Miras geritten, das sogar mit einer schlechten Stute nur drei Reisetage entfernt lag.
Die Gegend hatte sich nicht verändert.
Die vom ständigen Nieselregen feuchten Wege waren schlammig, und ein beißender Geruch lag in der Luft: nach nassem Torf, nach Gräsern mit winzigen gelben Blüten, die in den Hohlwegen wuchsen, und natürlich nach Sümpfen. Nach den Sümpfen, in deren Nähe Arekh aufgewachsen war, den Sümpfen, die Hunderte von Bauern verschlungen hatten, die, um ihr Auskommen zu finden, gezwungen waren, dort die bläulichen Kräuter zu sammeln, die die Färber aus den Städten ihnen für einige Heller abkauften. Der Boden war karg und gab wenig her. Hier war es sogar für die Adligen schwer zu überleben. Arekhs Vater hatte kein großes Vermögen gehabt, und doch hatte sein Sohn als gute Partie für die Töchter der umliegenden Lehensgüter gegolten, hochwohlgeborene Damen, die mehr Schulden als Gold hatten.
Ja, mit zwölf Jahren war er noch eine gute Partie gewesen. Arekh musterte den lastenden Himmel, atmete den kalten, regenschweren Wind ein und gestattete sich ein
trockenes Lachen. Die Lage hatte sich ein wenig geändert. Er konnte sich nur zu gut vorstellen, wie erschrocken die Adligen von Reynes dreingeblickt hätten, wenn ihm heute der Gedanke gekommen wäre, einer ihrer Töchter den Hof zu machen.
Die Landstraße führte immer weiter, und der Nieselregen wurde zu einem wahren Wolkenbruch - mit dicken, fast schmerzhaften Regentropfen. Endlich erschienen die Dächer des Dorfs. Vor einundzwanzig Jahren hatte es dort ein Gasthaus gegeben: Die Viehtreiber und die Bauern, die ihre Getreideladungen in den Norden brachten, um sie zu verkaufen, hatten manchmal dort haltgemacht.
Das große Holzgebäude mit dem lehmverstärkten Reetdach gab es noch immer. Ein magerer Wallach, der im Regen fror, war einsam neben dem Wassertrog angebunden. Falls das Haus nach wie vor eine Herberge war, hatte sie nicht viele Gäste. Arekh zügelte seine Stute und stieg vom Pferd; die kleine Sklavin tat es ihm gleich.
Er band die Tiere an und betrat das Haus.
Ja, es war noch immer ein Gasthaus, obwohl das Innere nicht mehr viel mit Arekhs Erinnerungen gemein hatte. Die Farben der Teppiche an den Wänden waren verblichen, und das ganze Gebäude stank nach Elend. Ein fast erloschenes Feuer glomm im Kamin; der schlecht gefegte Lehmboden roch nach verfaultem Heu und vergessenem Essen.
Arekh trat zu einem großen Holztisch und setzte sich. Nach einem Moment kam eine alte Frau aus einem Hinterzimmer hervor und fragte ihn nach seinem Begehr. Er deutete auf den Kessel, der verlassen über der Glut köchelte, und die Frau servierte ihm etwas und brachte auch einen Teller für die Sklavin, als Arekh mit dem Finger
auf sie wies. Das Kind aß wortlos; es saß auf dem Boden und packte die zerkochten Fleischstücke mit Fingern, die vor Kälte blau angelaufen waren.
Arekhs stumme Beobachtung hatte noch keine Früchte getragen. Die Natur der kleinen Sklavin blieb ihm ein Rätsel: Es war ihm noch nicht gelungen, diesbezüglich eine Entscheidung zu fällen. Er verfolgte jede Bewegung, jeden Gesichtsausdruck und versuchte, darin etwas Böses zu entdecken. Aber er hatte bisher nur Furcht, Erschöpfung und verträumte Blicke gesehen. Mal wirkte sie feige, mal tapfer. Manchmal glaubte Arekh, in ihren Augen eine Einsicht wahrzunehmen, die ihn erschreckte; dann wieder fand er darin nur die Naivität eines verängstigten Kindes, das in seinem Leben bisher nur die engen Wände einer Küche kennengelernt hatte. Die Kleine war schon immer blass gewesen, war es jetzt nach dieser Reise in neblige Landstriche aber noch mehr; ihr Hemd aus grobem Leinen schützte sie kaum gegen die eisige Feuchtigkeit des Vorfrühlings. Hier und da waren zarte blaue Adern unter ihrer Haut sichtbar.
Arekh sah angeekelt zu, wie sie die wenigen Gemüsestücke eifrig in die Sauce tunkte und herunterschlang. Ja, die Sklaven hatten eine schwarze Seele. Welches Kind freier Eltern wäre schon ohne Widerrede bereit gewesen, so zu essen - auf dem Boden, in einer Haltung hündischer Erniedrigung?
Aber sein Argument überzeugte ihn nur zur Hälfte. Er hatte freie Männer gesehen, die für Geld oder aus Angst im Staub krochen - und auch ausgehungerte, dunkelhaarige Kinder, die sich gegenseitig umbrachten, um an ein Stück Brot zu gelangen.
Der Gedanke gefiel ihm nicht, und er richtete sich wieder
auf, um dann eine knappe Kopfbewegung zu
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