Pakt der Könige
Vorabend versichert hatte. Arekh war am Ende doch noch in den Kampf zurückgekehrt und ohne rechte Motivation auf die Nordmauer gestiegen, die Harrakin und die Männer aus Harabec einige Stunden zuvor verlassen hatten, als die Situation hoffnungslos geworden war. Die dritte Angriffswelle der Meriniden war nicht besonders heftig, aber die Männer auf den Wehrgängen waren erschöpft und hatten Durst … Und vor allem hatte ein Gefangener, den Arekh befragt hatte, bestätigt, was alle schon befürchtet hatten: Die Hauptstreitmacht der Meriniden folgte den über zweitausend Mann, die ausgeschickt worden waren, um die Stadt zu erobern. Essin kämpfte wohl auch irgendwo, aber es war Arekh nicht gelungen, ihn zu finden.
Die Verteidigung war vollkommen unorganisiert. Die Hälfte der Offiziere fehlte. Der jüngere Louarn war von einem Armbrustbolzen gefällt worden, als er mutig einen Ausfall versucht hatte. Die meisten Nomadenhäuptlinge waren mit ihren Frauen, Kindern und Wasservorräten geflohen, als sie von den Problemen im Süden gehört hatten, und Arekh konnte es ihnen noch nicht einmal übel nehmen. Hatten sie nicht recht? War ihre Einstellung nicht klüger als die der Soldaten des Emirs, von denen keiner geflohen war? Die Söhne des Adels von Faez ließen sich einer nach dem anderen umbringen, um Steine zu verteidigen, die ihnen nicht gehörten, Stadtbewohner, denen ihr
Schicksal gleichgültig war, Ratsherren und Vorgesetzte, die nur eines wollten: fort, und das, ohne sie mitzunehmen …
Doch Arekh war da: Er schoss Armbrustbolzen auf die Meriniden ab, leerte Gefäße mit siedendem Öl über ihnen aus, feuerte die Männer an, deren Gesichter vor Durst verzerrt waren. Er hatte sogar zwei Ausfälle aus dem Nordtor unternommen, eher aus dem Vergnügen am Töten und Zuschlagen heraus als in der Hoffnung, irgendetwas ändern zu können. Er konnte die Stadt nicht verlassen … noch nicht. Irgendetwas hielt ihn hier zurück. War es das Wissen, dass die Seelenleser, ihre Wachen und Söldner und ihre Gefangene noch immer im Palast waren? Dass irgendwo unter der Erde die rituelle Folterung stattfand?
Das war nicht seine Angelegenheit. Es war nicht mehr seine Angelegenheit, und selbst, wenn sie es gewesen wäre, hätte er nichts tun können - es gab nichts zu tun, er war machtlos, alle waren machtlos, und die Wellen des Schicksals brandeten auf die Verurteilten ein wie die Meriniden gegen die Mauern.
Plötzlich hatte er genug. Der Nachmittag neigte sich ebenso dem Ende zu wie die Kräfte der Soldaten. Ganz gleich, welche selbstmörderische Torheit ihn heute hierher zurückgeführt hatte: Damit war es jetzt vorbei. Noch heftiger als am Vortag, als er vor dem Diener salutiert hatte, wurde Arekh sich bewusst, dass dies nicht mehr seine Stadt war - und auch nicht mehr sein Kampf. Als letzter Aufrechter für eine verlorene Sache zu kämpfen, war nicht seine Art.
Nach einem letzten Blick auf die Soldaten stieg er vom Wehrgang hinab.
Kapitel 21
Ein Karren stand neben einem Gebäude aus gelbem Stein zwischen Obstbäumen; jenseits der Haine und der Mauer, die den Offiziersgarten begrenzten, brannten Lagerhäuser, aus denen beißender Rauch aufstieg. Es war zwischen aufständischen Sklaven und Soldaten zum Kampf gekommen; niemand wusste, wer das Feuer gelegt hatte.
Merinas Mutter, eine etwa fünfzig Jahre alte Frau, saß auf Gepäckstücken; Tränen rannen ihr über die Wangen, die grau vor Asche und Furcht waren. Der Vater, dessen Beleibtheit seine Bewegungen ein wenig verlangsamte, half einer Dienerin mittleren Alters, dem übrigen Gepäck eine Art Kommode hinzuzufügen. Nachdem er ihre Tochter in einem Käfig gesehen hatte, hätte Arekh sie gern gehasst. Wie viel einfacher wäre die Welt doch gewesen, wenn sie vertrocknet, herzlos, hochmütig und grausam ausgesehen hätten! Aber so war es natürlich nicht. Trotz ihrer Furcht wirkten ihre Gesichtszüge angenehm, und Arekh erkannte in den großen Augen des Vaters sogar die braunen, klugen seiner Tochter wieder.
Merina entdeckte Arekh als Erste. Sie war nur in ein sehr einfaches, blaues Gewand gekleidet, und falls sie einen Schleier getragen hatte, so hatte sie ihn schon längst verloren.
Auch die Mutter hatte ihr Gesicht nicht verhüllt; anscheinend hatten die Traditionen der Claesen dem Schrecken dieses Augenblicks nicht standgehalten. Umso besser , dachte Arekh. Die Umstände hatten gegen die Sitten gewonnen.
Die junge Frau flüsterte ihren Eltern etwas zu, und diese
Weitere Kostenlose Bücher