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Pakt der Könige

Titel: Pakt der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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drehten sich sofort mit flehentlicher Miene zu Arekh um. Die Mutter kletterte unbeholfen vom Karren und lief, wobei sie fast stolperte, auf ihn zu.
    »Oh, Aida Morales, ich flehe Euch an. Nehmt Merina mit … nehmt unsere kleine Tochter mit, damit zumindest sie gerettet wird, bitte …«
    »Merina!«, sagte eine Kinderstimme, und Arekh bemerkte ein kleines Mädchen von kaum sieben Jahren, das halb unter Säcken versteckt war. »Bitte geh nicht …«
    Merina umarmte ihre Schwester, während der Vater Arekh mit einer Mischung aus Hoffnung und Furcht musterte. Fragte er sich - ganz wie Arekh -, ob seine Tochter an der Seite eines Offiziers, der an vorderster Front hätte bleiben sollen, bessere Überlebenschancen hatte als auf ihrem Karren?
    »Was habt Ihr vor?«, fragte Arekh den Vater und öffnete die Bündel von »Kleidern«, die er mithilfe der kleinen Sklavin bis hierher geschleppt hatte. »Wollt Ihr zum Südtor?«
    Der Mann machte eine hilflose Gebärde. »Milos … unser Lastenträger … Wir haben ihn als Kundschafter vorausgeschickt, und er ist nicht wiedergekommen. Das ist jetzt zwei Stunden her. Wir haben gehört, dass die Leute sich gegenseitig umbringen, um durchzukommen. Wir wollen unser Glück im Westen versuchen.«
    Er riss die Augen auf, als er die beiden Wasserschläuche sah, die in den Bündeln versteckt waren. Das kleine
Mädchen und die Dienerin stießen Freudenschreie aus; die Mutter begann wieder zu weinen.
    »Versteckt sie auf dem Boden des Karrens, unter dem Gepäck«, sagte Arekh knapp und unterbrach so die abgehackten Dankesworte des Vaters. »Trinkt nicht, bevor Ihr weit von der Stadt entfernt seid, sonst werdet Ihr nicht so durstig aussehen wie alle anderen. Es reicht schon, dass jemand nur einen Verdacht hat, damit ihr in Stücke gehackt werdet, um das Wasser zu finden, das Ihr versteckt. Wartet mit dem Trinken, bis ihr ohne Zeugen allein in der Wüste seid, und teilt Euch jeden Schluck gut ein. Hiermit solltet Ihr bis ins Gebirge gelangen können.«
    Die Mutter weinte immer heftiger und murmelte Segenswünsche. Merina trat an Arekh heran und ergriff ebenso demütig wie zärtlich seine Hand. Die Eltern schritten gegen diesen fürchterlichen Verstoß gegen die Sitten nicht ein.
    »Wann werdet Ihr zu uns stoßen?«, fragte sie. »Wir fahren nach Faez, zu unseren Verwandten. Ich werde dort auf Euch warten … Salmyra wird nicht mehr lange durchhalten«, fügte sie ganz leise hinzu, als hätte sie Angst, ihn zu schockieren. »Anscheinend sind die Shi-Âr aus dem Palast geflohen. Ihr werdet bald von Euren Verpflichtungen entbunden sein.«
    »Ja, kommt nach Faez«, sagte die Mutter, in deren Stimme wieder Hoffnung durchzuklingen begann. »Dann können wir die Hochzeit im Frühjahr feiern …«
    Arekh war noch nicht einmal entsetzt, dass sie so leichthin von tiefster Verzweiflung zu Hochzeitsplänen überging. Und zu seinem eigenen Erstaunen huschte trotz des Gestanks nach brennendem Holz und Fleisch, trotz der Schreie, die in einer nahen Gasse erklangen, und trotz seiner
ausgedörrten Kehle ein Bild durch seinen Kopf: das einer sonnenbeschienenen Straße im Claesen-Viertel der Unterstadt von Faez mit Kindern, die weiße Blütenblätter streuten, und Merina in einem langen, cremefarbenen Baumwollkleid an seiner Seite, mit vor Freude funkelnden Augen.
    Er würde keine Schwierigkeiten haben, am Hofe von Faez eine Anstellung zu finden. Ja, er würde dort willkommen sein.
    »… nur wegen dieser Frau!«, rief die Dienerin. »Fîr straft sie für ihren Wahnsinn! Dass sie sich aber auch für eine Königin ausgegeben hat, obwohl sie nur -«
    »Mala!«, sagte der Vater scharf. »Sprich die Namen der falschen Götter nicht in meiner Gegenwart aus!«
    »Arme Frau«, sagte Merina. »Von ihrem Ehemann verraten - von dem, der sie doch über alles hätte lieben sollen … Ganz gleich, wie es um ihre Natur bestellt ist«, fügte sie hinzu, als die Dienerin etwas einwenden wollte, »niemand hat ein solches Schicksal verdient.«
    Sie ist perfekt , dachte Arekh zärtlich und betrachtete sie. Wirklich vollkommen . Es gab kaum Frauen - oder überhaupt Menschen -, die sich in jemanden einfühlen konnten, der sie nichts anging, während rings um sie die Welt zusammmenbrach. Ja, Merina war ein Schatz, und Pier hatte gut gewählt, das fand Arekh nun bestätigt.
    Merina wäre die perfekte Ehefrau gewesen, und trotz dieser Vollkommenheit …
    … trotz dieser Vollkommenheit konnte Arekh sich nicht dazu entschließen.
    Er

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