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Pakt der Könige

Titel: Pakt der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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doch jemand dort war: Shi-Âr Barbas, der damit beschäftigt war, Urkunden und Edelsteine in einen großen Sack zu häufen, Pier, der am Tisch saß, als sei alles in bester Ordnung, ein weiterer Ratsherr, einige Diener und vier Soldaten. Ein voller Wasserschlauch in einer Hülle mit erhabenen Goldstickereien lag auf dem Tisch, und Barbas wirkte, als sei er bei klarem Verstand.
    »Ah, Morales«, sagte er gemessen. »Sehr gut. Habt Ihr Männer? Wir werden die Stadt durch das Westtor verlassen, unauffällig an der Mauer entlangziehen und uns dann auf die Südstraße begeben. Wir werden in etwa fünfzehn Tagen die Freien Städte erreichen. Die Wasservorräte der Karawane reichen aus, um zwanzig Menschen eine Woche
lang zu versorgen, und wir werden in den Ausläufern der Berge Oasen finden …«
    »Wo ist Marikani?«, fragte Arekh.
    Pier hob den Kopf und musterte ihn; trotz seiner Kurzsichtigkeit wirkte sein Blick durchdringend.
    Barbas bemerkte nichts. »Ich nehme an, Eure Nâlas sind auf den Mauern«, fuhr er fort, ohne auf Arekhs Frage einzugehen. »Die Hauptstreitmacht der Meriniden-Armee wird bald eintreffen. Wir haben im besten Fall noch zwei Stunden, um die Stadt zu verlassen.«
    »Wo ist Marikani?«, wiederholte Arekh.
    Diesmal hob Barbas den Kopf, und der andere Ratsherr hörte mit dem Packen auf.
    »Das darf ich Euch nicht sagen«, antwortete Barbas. »Laosimba hat sie an einem geheimen Ort untergebracht. Er fürchtet, dass die entflohenen Sklaven …«
    Arekh zog sein Schwert und warf mit einer knappen Bewegung den Tisch um. Juwelen und Silber fielen zu Boden; der Wasserschlauch rutschte ab und wurde von dem hysterischen Ratsherrn sofort aufgefangen. Die Diener flüchteten mit einem kleinen Schreckensschrei, und Barbas musterte Arekh wie betäubt. Nur Pier saß noch immer reglos auf seinem Stuhl; er hatte die Augen zusammenkniffen, als ob er nachdenken würde.
    Arekh hob die Klinge und führte sie an Barbas’ Kehle. »Laosimba ist nicht hier«, sagte er und strich mit der Schwertspitze über den Hals des Shi-Âr. »Ich aber. Also?«
    »Zu Hilfe! Zu Hilfe!«, schrie der Ratsherr und riss die Tür auf, durch die Arekh hereingekommen war. »Shi-Âr Barbas wird angegriffen!«
    Niemand rührte sich. Arekh stellte sich vor, wie die Sekretäre mit fiebrigem Blick weiter Dokumente ordneten.
    Barbas neigte den Kopf zur Seite; er wirkte eher interessiert als erschrocken. »Warum?«, fragte er schließlich. Arekh übte Druck auf das Schwert aus; ein Blutstropfen quoll hervor, und Barbas machte eine rasche Handbewegung. »Ich werde es Euch sagen, Morales. Laosimba und seine Vorschriften sind mir egal, aber ich möchte verstehen -«
    »Wo ist sie?«, wiederholte Arekh und betonte jede Silbe.
    »In den alten Ölspeichern im Handelsgebäude. Die Karawane aus Reynes formiert sich dort.«
    Arekh nickte. »Danke. Und … Ich verstehe es selbst nicht so recht«, erklärte er, bevor er das Schwert senkte und sich umdrehte. »Viel Glück, Pier.«
    »Die Meriniden kommen, und der Palast wird bald ein Raub der Flammen werden«, sagte Pier mit einem seltsamen Lächeln.
    Arekh musterte ihn. »Was?«
    »Die Königin von Harabec hinterlässt eine Spur der Flammen«, erläuterte Pier. »Findet Ihr das nicht interessant?«
    Arekh starrte ihn einen Moment lang an und verließ dann den Palast.
     
    Er stürzte in die Hölle.
    Die Angst war von völligem Chaos verdrängt worden. Es war Wind aufgekommen, der Sand und Rauch vor sich hertrieb; er hörte Reiter vorbeipreschen. Schreie ertönten. Schemenhafte Gestalten flüchteten ins Dunkel. Drei Jugendliche rannten die Straße hinunter; ihre Pashnou-Gewänder waren mit Asche und Staub befleckt. Arekh drängte sich an ihnen vorbei und konnte gerade noch einem Reiter ausweichen - einem Meriniden , wie er
erkannte. Ein Merinide? Hier, mitten in Salmyra? War die Stadt bereits gefallen?
    Arekh begann nach Norden auf die Lagerhäuser zuzurennen, immer gegen den Strom der Panik an. Auf dem großen Platz wirkte ein merinidischer Reitertrupp seltsam verloren; die Einwohner von Salmyra, die schreiend flohen, waren vor lauter Staub fast unsichtbar. Im Schutze der Dunkelheit und des Sturms tastete Arekh sich an den Wänden entlang und versuchte, Augen und Kehle vor dem Sand zu schützen. Einen Moment lang kam er sich vor, als sei er in der Zeit zurückgereist. Die Götter hatten an seinem Schicksalsfaden gezupft und ihn zurück nach Sarsan gezogen, zum Tag vor der Eroberung, kurz vor Sonnenuntergang; bald

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