Pakt des Bosen
ausgezeichneten Tee habe ich bei uns zu Hause noch nie getrunkenâ, antwortete er und der Mann übersetzte. Der Fragensteller grunzte begeistert und boxte seinem Nebenmann auf die Schulter. Der stimmte daraufhin in das Grunzen ein und Gerling vermutete, dass die Antwort ihnen gefiel. Plötzlich wurde es still in der Höhle.
Der Kanzler sah sich um und zuckte innerlich zusammen. Da stand er, einer der meistgesuchten Terroristen der Welt, der Chefstratege und einer der Drahtzieher der Anschläge des elften Septembers: Mohamed Al Farag.
Afghanistan, 23. Juni, 23.15 Uhr
âBitte, Herr Bundeskanzler. Begleiten Sie michâ, sagte Mohamed Al Farag in fast akzentfreiem Englisch. Gerling stand auf und ging dem Mann hinterher, als dieser auf seinen Stock gestützt aus der Höhle humpelte.
Die Nacht war klar und kalt. Der Kanzler bewunderte den überwältigenden Sternenhimmel. Der alte Mann bemerkte Gerlings Blick in den Himmel und ein schwaches Lächeln erschien auf seinem Gesicht. âEinen solch klaren Sternenhimmel gibt es in Deutschland nicht, oder?â, fragte er.
Gerling schüttelte den Kopf.
âNein, leider nicht. Zu viel künstliches Licht.â
Al Farag nickte langsam. âFortschritt ist ein zweischneidiges Schwertâ, sagte er geheimnisvoll und setzte sich seufzend auf einen Stein. Er klopfte neben sich und bedeutete dem Kanzler so, sich neben ihn zu setzen. Gerling kam der Aufforderung nach. Al Farag deutete in das Tal, das sich unter ihnen erstreckte.
âIrgendwo da unten ist ein Mann, der uns beobachtet.â Er sah Gerling von der Seite an und kicherte. âUnd meine Leute beobachten ihn!â Er sah wieder in das Tal. âEiner Ihrer Leibwächter?â, fragte er dann, ohne Gerling anzusehen.
âIch konnte nicht verhindern, dass er mir folgteâ, gab der Kanzler zu.
Al Farag nickte wieder.âMeine Leute sagen, er sei gut. Sehr gutâ Er sah Gerling wieder an. âEr ist nur zu Ihrem Schutz hier?â
âJa.â
âIhm wird kein Leid zugefügt werdenâ, sagte Al Farag und seufzte wieder. Er schien unter Schmerzen zu leiden. Er stützte sich mit beiden Händen auf seinem Stock ab und sah den Kanzler durchdringend an.
âWarum sind Sie zu dieser Moschee in Berlin gegangen und haben meinen Brüdern geholfen?â, fragte er und sah Gerling neugierig an. Der spürte, dass die Antwort auf diese Frage wichtig war. Er entschied sich, ehrlich zu sein.
âIch habe nicht groÃartig nachgedachtâ, gab er zu. âIch habe die Bilder im Fernsehen gesehen und gespürt, dass ich dahin muss. Meine Berater waren dagegen, aber das war mir egal. Ich habe gewusst, dass es das einzig Richtige war, dahin zu fahren.â
âSie sind ein bemerkenswerter Mann, Herr Gerling. Was Sie getan haben, war sehr mutig. Sind Sie ein mutiger Mann?â
Der Kanzler dachte über die Frage nach.
âIch weià nicht, ob ich mutig bin. Ich versuche, immer das Richtige zu tun. Als ich den Anruf des Muftis erhielt und mich entschied, hierher zu kommen, hatte ich Angst. Ich glaube, das ist nicht gerade ein Zeichen von Mut.â
âAngst und Mut schlieÃen einander nicht aus. Ich denke, Sie sind ein mutiger Mann. Und ich denke, Sie sind ein aufrichtiger Mann. Das ist wichtig.â Er sah Gerling wieder von der Seite an. âWas halten Sie von der amerikanischen Politik?â, fragte er dann listig.
Wieder entschied sich der Kanzler, aufrichtig zu antworten.
âAmerika hat in der Vergangenheit viele Fehler gemacht. Es war ein Fehler, Afghanistan zu bombardieren. Es war ein Fehler, den Irak unter Vortäuschung falscher Tatsachen anzugreifen. Es ist ein Fehler, anderen Kulturen die Demokratie made in USA aufzuzwingen. Der jetzige Präsident hat ein schweres Erbe angetreten. Aber er ist ein guter Mann.â
Al Farag schwieg lange und Gerling dachte schon, er wäre eingeschlafen. Dann fragte er: âGlauben Sie, dass wir für die Anschläge des vierzehnten Juni verantwortlich sind?â
âWenn ich das glauben würde, wäre ich nicht hierâ, machte der Kanzler klar.
âIch denke, viele Freunde werden Sie dadurch nicht gewinnenâ, sagte Al Farag langsam.
âEs ist nicht mein Job, Freunde zu gewinnen. Ich will die Wahrheit herausfinden und die Verantwortlichen bestrafen. Wenn ich mir damit Feinde mache, kann ich damit leben.â
âSie sind ein Freund klarer
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