Pakt des Bosen
wählte dessen Nummer.
Berlin, 29. Juni, 19.20 Uhr
Gerling packte gerade seine Aktentasche und wollte das Kanzleramt verlassen, als sein Kanzleramtschef ins Büro gestürzt kam. Erstaunt sah Gerling auf. Huber ging durchs Büro, schaltete den Fernseher ein und suchte den Nachrichtenkanal. Als er ihn fand, sah der Kanzler sofort, dass Ãrger zu erwarten war. Kein anderer als der ehemalige Fraktionsvorsitzende seiner Partei, Hans Weber, wurde gerade interviewt.
âHerr Weber, was veranlasst Sie, eine eigene Partei zu gründen?â, wollte der Journalist wissen.
âDie Tatsache, dass die momentane Regierung, insbesondere der Bundeskanzler, mit der Wahrnehmung ihrer Aufgaben schlicht überfordert ist.â Weber machte eine Pause und sah direkt in die Kamera. âSchauen Sie. Der Bundeskanzler hat immer behauptet, mit den sogenannten Seilschaften aufzuhören. Und was sind seine ersten Amtshandlungen? Sein Freund und ehemaliger Professor wird Innenminister und seinen alten Freund und Chef, den ehemaligen Bürgermeister der Stadt Hamburg, macht er zum AuÃenminister.â Weber warf mit einer dramatischen Geste die Hände in die Luft. âEr fängt mit genau den Seilschaften an, die er anfangs verurteilte und unterbinden wollte.â Weber schüttelte traurig den Kopf. âAber was viel schlimmer ist: Anstatt sich um die marode Finanzsituation zu kümmern, spielt sich der Bundeskanzler als Superheld auf und bringt sich und andere in direkte Gefahr. Und dann bedroht er auch noch harmlose Journalisten, die einfach nur ihren Job machen. Für mich sind das ganz klare Indikatoren für das Chaos, das im Kanzleramt herrscht. Bundeskanzler Gerling setzt eindeutig die Prioritäten falsch. Das ist eine Tatsache.â
Erneut machte Weber eine Pause und trank einen Schluck Wasser. Dann sah er ernst in die Kamera. âDarüber hinaus liegt mir Beweismaterial vor, das, da bin ich mir ganz sicher, strafrechtliche Konsequenzen für den Kanzler haben wird.â
Der Journalist beugte sich vor.
âUm was für Material handelt es sich hierbei?â, fragte er mit unschuldiger Miene.
Natürlich wusste er genau, was für brisantes Material sich im Besitz des ehemaligen Fraktionsvorsitzenden befand.
âMir ist eine Videoaufzeichnung zugespielt worden, die beweist, dass im Auftrag des Bundeskanzlers Folterungen und Scheinhinrichtungen durchgeführt wurden.â
Bestürzt schüttelte der Journalist den Kopf.
âDas sind schwere Anschuldigungen, die Sie da erhebenâ, meinte er überflüssigerweise.
Weber nickte ernst.
âSagen Sie das dem Kanzler, nicht mir.â
Berlin, 29. Juni, 19.28 Uhr
âGroÃer Gott!â, hauchte Gerling, als er hörte, was Weber da von sich gab.
Huber wirkte verstört. âWas redet der denn da?â, wollte er wissen. Der Kanzler wollte gerade antworten, als die Bürotür aufging und Rosenthal das Kanzlerbüro betrat.
âWie konnte das passieren? Wie ist dieser Intrigant an die Aufzeichnung gekommen?â, fragte er auÃer Atem.
âIch hab keine Ahnungâ, gab Gerling zu. Er stand auf und ging zur Fensterfront.
âKann mir mal jemand sagen, worum es hier geht? Folterungen? Scheinhinrichtungen? Steht Weber unter Drogen, oder was?â, fragte Huber aufgebracht. Mit wenigen Worten erklärte Gerling seinem Kanzleramtschef, worum es ging.
âWas machen wir jetzt?â, fragte er dann leise. Das darauf folgende Schweigen wurde durch das Klingeln des Telefons unterbrochen. Huber nahm den Hörer ab und lauschte. Dann legte er auf.
âDas war Martin. Er wird in fünf Minuten hier seinâ, sagte er und der Kanzler nickte.
âEr wird sagen, dass er die volle Verantwortung übernehmen wird. Er wird sagen, dass ich von der ganzen Sache nichts wussteâ, sagte Gerling leise.
âEr wird seinen Kopf hinhalten, um deinen aus der Schusslinie zu bringenâ, bestätigte Rosenthal. Dann sah er dem Kanzler in die Augen. Was er sah, hatte er befürchtet.
âUnd du wirst es nicht zulassenâ, sagte er.
âRichtig. Das kann und werde ich nicht zulassen.â
7
Berlin, 01. Juli, 09.01 Uhr
Der Kanzler und seine Berater hatten lange über den richtigen Weg, über die richtige Reaktion debattiert. SchlieÃlich hatten sie sich geeinigt. Gerling würde eine öffentliche Debatte im Bundestag nutzen, um zu den Parteien und zu seinen Wählern zu
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