Pakt des Bosen
sein, wenn ich zurücktreteâ, sagte der Kanzler.
âWenn du das tust, war alles umsonst. Alles!â, erwiderte Rosenthal.
âWenn ich weitermache, wird alles nur noch schlimmer!â, versetzte Gerling.
Rosenthal wollte gerade zu einer Antwort ausholen, als die Tür des Büros aufging und Huber hereinkam. Der Kanzleramtschef ging schnell zu dem Fernseher und schaltete ihn ein.
âDas müsst ihr euch anschauen. Dieser Spot läuft seit ungefähr einer Stunde auf fast allen Kanälen!â
Zu sehen war ein Kinderspielplatz. Die Sonne schien und viele Kinder tollten herum. Einige kletterten die Rutsche hoch, um dann laut kreischend herunterzurutschen, andere gruben im Sand oder saÃen auf einer der vielen Wippen. Plötzlich verdunkelte sich der Himmel und die Kinder verschwanden. Auf einmal erschien das Gesicht einer Frau. Sie blickte mit ausdrucksstarken Augen in die Kamera.
âMein Name ist Annegret Richter. Ich habe eine sechsjährige Tochter. Wenn Bundeskanzler Gerling nicht das getan hätte, wofür die Menschen ihn heute bestrafen wollen, dann wäre meine kleine Julia noch immer in den Händen der Entführer.â
Dann tauchte das nächste Gesicht auf und dann noch eines und noch eines. Mit jedem Gesicht wurde der Himmel klarer und die Kinder erschienen wieder auf dem Spielplatz.
Mit versteinerter Miene sah sich der Kanzler den kleinen Film an. Als er zu Ende war, bat er mit zitternder Stimme, man möge ihn alleine lassen. Noch bevor die Tür vollständig geschlossen war, stiegen Jan Tränen in die Augen. Als er dann ganz sicher war, dass niemand ihn jetzt stören würde, begann Bundeskanzler Jan Philip Gerling, das erste Mal seit langer Zeit zu weinen. Er versuchte gar nicht erst, die Tränen zu unterdrücken â er lieà es einfach zu, lieà alles raus, die ganzen Emotionen der letzten Wochen. Es war eine Art Selbstreinigung und an ihrem Ende, als der Kanzler sich wieder gefangen hatte, griff er zum Telefon â er hatte jetzt eine Menge zu erledigen.
Berlin, 18. August, 20.00 Uhr
Katja war sehr erstaunt gewesen, als sie Jans Anruf erhalten hatte. Er hatte sie darum gebeten, gegen acht Uhr abends in seine Wohnung im Kanzleramt zu kommen. Sie hatte zugesagt und nun ging sie mit weichen Knien die Treppe hoch. Anstatt einfach aufzuschlieÃen, wollte Katja klopfen, stellte dann aber fest, dass die Tür nur angelehnt war. Unsicher machte sie einen Schritt in den Flur. Wie angewurzelt blieb sie stehen.
Ãberall waren Rosenblüten verstreut und an den Seiten des Flures brannten Kerzen. Katja folgte den Rosenblüten bis in das Wohnzimmer. Auch hier brannten überall Kerzen und auf dem Esstisch stand ein Sektkühler mit einer Flasche darin. Katja stand mit bebenden Lippen da und blickte sich um â von Jan keine Spur. Dann öffnete sich die Küchentür und Jan kam auf sie zu, in der Hand eine einzelne Rose. Dicht vor Katja blieb er stehen.
âVerzeih mir, mein Engelâ, sagte er mit leiser Stimme. âIn den letzten Wochen war ich nicht ich selbst.â Er reichte ihr die Rose, und ohne ihn aus den Augen zu lassen, nahm Katja sie entgegen.
âUnd jetzt?â, fragte sie mit leiser Stimme.
âJetzt bin ich wieder da!â, sagte Jan.
âDas ist schönâ, flüsterte Katja und Tränen liefen ihr über das Gesicht.
âIch liebe dich, Katjaâ, sagte Jan und laut schluchzend fiel sie ihm um den Hals.
Berlin, 19. August, 09.00 Uhr
Schon am Vortag hatte der Kanzler diesen Termin vereinbart. Nun fuhr er vor den Dienstsitz des Bundespräsidenten, verschwand im Schloss und wurde umgehend in das Amtszimmer gebracht. Präsident Menzel führte Gerling zu der Sitzecke und beide nahmen Platz.
âEs scheint sich um eine ernste Situation zu handeln. Was kann ich für Sie tun, Herr Bundeskanzler?â, fragte der Präsident. Verdutzt sahen sich beide an. Genau so hatte vor fast fünf Monaten ihre erste ernste Besprechung angefangen und beide hatten sich im selben Moment daran erinnert. Ob das ein gutes Omen ist? fragte sich Gerling und zündete sich eine Zigarette an. Menzel tat es ihm gleich.
âIch werde die Vertrauensfrage stellen!â, erklärte Gerling.
âIch versteheâ, sagte Menzel und nickte.
Natürlich hatte sich Bundespräsident Menzel Gedanken gemacht, nachdem der Kanzler ihn um diesen kurzfristigen Termin gebeten hatte. Menzel war
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