Pakt des Bosen
Südamerika rausholen wollen, diese Information an irgendjemanden weitergegeben?â, fragte er den Minister mit leiser Stimme. Tjaden erhob sich ebenfalls und ging zu Gerling an die Fensterfront. Beide blickten hinaus.
âHerr Bundeskanzler. Ich bin jetzt achtundsechzig Jahre alt. Seit meinem sechzehnten Lebensjahr diene ich diesem Land. Ich liebe meine Heimat und ich würde mein Leben dafür hergeben, ohne zu zögern. Um Ihre Frage zu beantworten: Nein, ich habe keine Informationen bezüglich Ehlers oder irgendeinem anderen Sachverhalt jemals an Dritte weitergegeben.â
Der Kanzler nickte stumm. Er glaubte ihm.
âHerr Minister, Sie haben Recht. Ich habe Ihnen nicht mehr vertraut. Alle mir zur Verfügung stehenden Indizien haben in Ihre Richtung gedeutet. Ich habe einen schweren Fehler begangen.â
âWarum haben Sie nicht das Gespräch mit mir gesucht?â, wollte Tjaden wissen.
âWeil ich gehofft hatte, über Sie an die Drahtzieher heranzukommenâ, gab der Kanzler zu. Ein kleines Lächeln huschte über das Gesicht des Soldaten. Er verstand. Der Kanzler blickte seinen Verteidigungsminister an.
âMit Ihrem Einverständnis zerreiÃe ich das Rücktrittsgesuch und ein Gespräch zu diesem Thema hat niemals stattgefunden, einverstanden?â, fragte er und reichte Tjaden die Hand. Der schlug ein.
âEinverstanden, Herr Bundeskanzler.â
Als Tjaden das Büro verlassen hatte, griff Gerling zum Telefon, um den Grafen anzurufen. Zeit, um Hartmut Witt, meinem ehemaligen Sicherheitsberater, einen Besuch abzustatten, dachte er.
Berlin, 24. August, 15.45 Uhr
Zufrieden grinsend legte Innenminister Rosenthal den Telefonhörer auf. Gerade hatte er das getan, was in früheren Zeiten als Rechtsberater des verstorbenen Altkanzlers Albrecht sein tägliches Geschäft gewesen war, was er gehasst und gleichzeitig geliebt hatte â eine Intrige gesponnen. Er erinnerte sich an die Worte Albrechts, der kurz vor seinem Tod den mahnenden Satz sprach: Die kritische Masse ist erreicht, wenn du den anderen mehr schuldest, als sie dir schulden. Nun, in dieser Beziehung brauchte sich Werner Rosenthal keine Gedanken zu machen â die anderen hatten noch genügend offene Rechnungen bei ihm und er gedachte, diese jetzt nach und nach einzufordern.
Berlin, 24. August, 16.30 Uhr
Weber lehnte sich lächelnd zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. So ist das, wenn man auf der Ãberholspur ist, dachte er. Auf einmal bekommt man Einladungen zu Gesprächsrunden von Leuten, die einen, nachdem man gefallen war, plötzlich nicht mehr kennen wollten. Nun kommen sie wieder angekrochen. Der Anruf eben gefiel ihm ganz besonders, kam er doch von einem Journalisten, dessen Reputation auÃer Frage stand und von dem er bislang glaubte, dass seine Sympathien dem amtierenden Kanzler galten.
Berlin, 25. August, 09.30 Uhr
Im Kanzleramt liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Eine Reise Gerlings in die USA stand kurz bevor und eine Pressekonferenz befand sich in Vorbereitung. In dieser würde man verkünden, dass der Kanzler die Vertrauensfrage stellen werde.
Die Vertrauensfrage ist ein politisches Instrument in vielen Demokratien. Die Regierung kann dem Parlament die Vertrauensfrage stellen, um festzustellen, ob es mit ihrer Haltung grundsätzlich noch übereinstimmt, und gravierende Konflikte abklären. Ein negatives Ergebnis führt häufig zum Rücktritt der Regierung oder zu Neuwahlen. Die Vertrauensfrage kann aber nicht nach Belieben zur Auflösung des Bundestages genutzt werden, vielmehr muss eine âechteâ Regierungskrise vorliegen. Das Bundesverfassungsgericht hat anlässlich einer Organklage 1983 dem Bundeskanzler und dem Bundespräsidenten in dieser Frage allerdings einen groÃen Beurteilungsspielraum zugebilligt.
Mit einer positiven Antwort auf die Vertrauensfrage signalisiert der Bundestag, dass er weiterhin Vertrauen in den Bundeskanzler hat. In diesem Fall treten keine Rechtsfolgen ein. Auf diesen Fall hofften nun alle.
Amerikanischer Luftraum, 29. August, 08.55 Uhr
âHerr Bundeskanzler!â Ein Sicherheitsbeamter rüttelte Jan leicht an der Schulter und weckte ihn so auf.
Gerling öffnete die Augen und blinzelte. âMeine Verlobte ist hübscherâ, murmelte er und der Beamte musste grinsen.
âWir haben bereits den Landeanflug auf Washington begonnenâ, erklärte der
Weitere Kostenlose Bücher