Pakt des Bosen
befähigt hielt, die Welt zu ändern, genügend Mumm hatte, diese Informationen als Waffe zu benutzen.
Berlin, 04. Juli, 22.35 Uhr
Der Kanzler konnte nicht einschlafen. Wie all die Nächte zuvor. Leise war er aufgestanden, hatte sich aus dem Schlafzimmer geschlichen und war in das Dachgeschoss gegangen. Hier hatte er sein Arbeitszimmer. Er starrte aus dem Fenster und stellte sich immer wieder die gleiche Frage: Bin ich der Richtige für dieses Amt?
Zweites Buch
âWas wir am nötigsten brauchen,
ist ein Mensch, der uns zwingt, das zu tun, das wir können.â
Ralph Waldo Emerson, amerikanischer Philosoph (1803â1882)
8
Berlin, 10. August, 10.15 Uhr
Die letzten Wochen waren die reinste Hölle für den Kanzler. Die Umfrageergebnisse waren niederschmetternd. Seine Beliebtheit nahm immer mehr ab und die Partei verlor Prozentpunkt für Prozentpunkt. Hans Weber hingegen schwebte auf einer Wolke des Erfolges durchs Land und prophezeite das vorzeitige Aus der Regierung. Das Problem war, dass immer mehr Leute ihm zuhörten und glaubten. Darüber hinaus lieà er keine Gelegenheit ungenutzt, um darauf hinzuweisen, dass gegen Gerling ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war. Zu allem Ãberfluss kamen sie mit den Untersuchungen der Anschläge einfach nicht weiter. Die Regierung konnte keine Punkte auf der Habenseite verbuchen und wurde jeden Tag angreifbarer. Der Kanzler trat so gut wie gar nicht mehr in der Ãffentlichkeit auf, was den Eindruck einer erfolglosen Regierung noch verstärkte. Ãbellaunig und unwirsch wehrte sich Gerling gegen jeden gut gemeinten Rat. Nicht einmal Werner Rosenthal, sein alter Freund, kam an ihn heran. Im Kanzleramt kursierte das Gerücht, es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis Gerling alles hinschmisse.
Berlin, 12. August, 20.30 Uhr
Hans Weber sah wirklich staatsmännisch aus in dem dunkelgrauen Dreireiher, dem blütenweiÃen Hemd und der roten Krawatte. Er war wieder einmal zu Gast in einer Talkshow. Heute wollte er zur GroÃoffensive blasen. Gerade hatte der Journalist ihm die Frage gestellt, warum der Kanzler scheinbar wie vom Erdboden verschluckt sei.
âSehen Sieâ, begann Weber schulmeisterlich, âGenau das ist das Problem. Der Kanzler verkriecht sich. Nach so kurzer Zeit tritt das ein, was ich immer vorhergesagt habe. Der Mann ist schlicht und ergreifend überfordert.â
Weber blickte nun direkt in die Kamera.
âHerr Bundeskanzler. Ich fordere Sie hiermit auf: Machen Sie dem Elend ein Ende. Treten Sie zurück und machen Sie so den Weg frei für Neuwahlen!â
Berlin, 12. August, 20.40 Uhr
Wütend schaltete der Graf den Fernseher aus. Jetzt reicht´s, dachte er und verlieà sein Wohnzimmer. Er hatte einige Anrufe zu erledigen.
Frankfurt, 15. August, 20.00 Uhr
Sie trafen sich in einem Hotel in der Innenstadt. Es waren dreiÃig Personen, jeweils zur Hälfte Männer und Frauen, was nicht weiter verwunderlich war, da es sich ausschlieÃlich um Ehepaare handelte. Es waren nicht alle gekommen, da für einige die Anreise aus dem Ausland kurzfristig nicht möglich war. Etwa die Hälfte kam aus Deutschland. Es war das erste Mal, dass sie sich alle zusammen trafen. Als sie sich einander vorstellten, flossen die ersten Tränen. Dann schritten sie zur Tat. Sie hatten noch einiges vor und nicht mehr allzu viel Zeit.
Berlin, 18. August, 17.00 Uhr
Gerling hatte seine engsten Freunde, Innenminister Rosenthal und AuÃenminister de Fries, zu einer vertraulichen Besprechung gebeten. Die zwei betraten das Büro des Kanzlers und setzten sich. Betretenes Schweigen machte sich breit. Dann endlich räusperte sich Gerling und brach das Schweigen.
âIch weià nicht, ob ich weitermachen sollâ, sagte er mit leiser Stimme. Rosenthal und de Fries wechselten einen kurzen Blick, sagten aber nichts. Der Kanzler fuhr fort.
âIch kann nicht mehr. Ich habe einfach keine Kraft mehr. Das alles wächst mir über den Kopf. Es ist alles so⦠so...â Gerling brach ab und sah seine Freunde hilfesuchend an. AuÃenminister de Fries musterte seinen Freund. Der hatte abgenommen und unter den Augen konnte er dunkle Ringe ausmachen. Er tat ihm leid. Aber er konnte nicht zulassen, dass Jan jetzt aufgab. Rosenthal sah das genau so. Nur hatten sie keine Ahnung, wie sie ihren Freund aus diesem dunklen Loch herausholen sollten. Also schwiegen sie.
âIch denke, es wird das Beste
Weitere Kostenlose Bücher