Pakt des Bosen
hochintelligent und ihm war schnell klar, dass es nur zwei Gründe gab, weswegen Gerling ihn sprechen wollte: Rücktritt oder Vertrauensfrage. In beiden Fällen war der Bundespräsident die erste Instanz, die benachrichtigt werden musste. Menzel war erleichtert. Er hatte damit gerechnet, dass der Kanzler ihn darüber in Kenntnis setzen würde, von seinem Amt zurückzutreten. âLassen Sie uns darüber reden.â
Berlin, 19. August, 11.30 Uhr
Bundeskanzler Gerling hatte alle Minister zu einer dringenden, auÃerordentlichen Kabinettssitzung in sein Büro bestellt. Es herrschte eine allgemeine Unruhe, da jeder mit der Mitteilung rechnete, dass der Kanzler seinen Rücktritt einreichen würde. Nach und nach trafen die Minister ein und nahmen Platz. Gerling selbst war noch nicht da. Die Minister tauschten verstohlene Blicke aus und einige flüsterten sich die neusten Gerüchte zu. Dann ging die Bürotür auf und Bundeskanzler Gerling kam mit dynamischen Schritten in sein Büro.
âSchönen guten Morgen, meine Damen und Herren!â, rief er ihnen zu und ging zu seinem Schreibtisch. Dort verstaute er schnell einige Unterlagen, dann ging er zu seinem Platz am Konferenztisch. Er blieb kurz stehen und musterte jeden einzelnen Minister eindringlich. Dann setzte er sich.
âLassen Sie mich kurz, bevor wir anfangen, eines kurz klarstellen: Ich werde nicht zurücktreten!â, erklärte der Kanzler mit klarer und fester Stimme. Diese Einleitung löste spontanen Applaus aus. Gerling bat mit einer Geste um Ruhe.
âNichtsdestotrotz werde ich die Vertrauensfrage stellen!â, fügte er dann hinzu und löste damit einen kleinen Tumult aus.
Nur Werner Rosenthal blieb stumm. Genau wie Menzel war ihm klar, dass es nur zwei Möglichkeiten für Jan gab. Und genau wie der Bundespräsident hatte Rosenthal gehofft, dass sich er für die Vertrauensfrage entscheiden würde. Jetzt galt es, erst die Minister zu überzeugen und dann die Partei. âDer Kanzler tut das einzig Richtigeâ, sagte Rosenthal mit fester Stimme. âUnsere Umfrageergebnisse sehen uns auf einem neuen Tiefstand. Die jüngsten Ereignisse haben den Menschen in unserem Land Glauben gemacht, wir hätten den Laden nicht mehr im Griff. Wir müssen ein Zeichen setzen. Wir müssen kämpfen und wir brauchen Ergebnisse. Aber vor allem brauchen wir das Vertrauen der Wähler und der Partei. Um zurückzubekommen, brauchen wir einen starken Kanzler, und ich denke, den haben wir jetzt wieder!â Rosenthal sah in die Runde. âAlso, lasst uns nicht rumjammern, sondern lasst uns anfangen!â
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Berlin, 24. August, 09.00 Uhr
âIch habe vor, den amerikanischen Präsidenten zu informierenâ, sagte der Kanzler und nahm einen Schluck Tee. Das war inzwischen eine Art Ritual zwischen ihm und dem Grafen geworden â jedes Mal, wenn sie sich trafen, probierten sie eine neue Sorte aus. Der Graf hatte einmal gemeint, sie beide müssten noch einhundertfünfzig Jahre leben, dann hätten sie alle bekannten Teesorten einmal versucht.
âIch denke, das ist die einzige Möglichkeit, die wir haben. Ich muss zugeben, dass wir so nicht weiterkommenâ, gab der Graf zu. Er dachte kurz nach, dann sagte er:
âIch an Ihrer Stelle würde auch gleich die Engländer, Franzosen, Italiener und Spanier mit einbeziehen. Lassen Sie uns versuchen, ein längst überfälliges Netzwerk aufzubauen. Ich glaube, nur so kommen wir weiter.â
Der Kanzler nickte nachdenklich. Dann sprachen sie über die Details.
Berlin, 24. August, 12.30 Uhr
Der Terminwunsch kam für Gerling überraschend, dennoch nahm er sich die Zeit. Verteidigungsminister Tjaden betrat das Büro des Kanzlers und setzte sich. Dann öffnete er seine Aktentasche und entnahm ihr einen Umschlag. Stumm legte er ihn auf den Schreibtisch. Gerling sah kurz auf den Umschlag, dann blickte er den Minister an.
âWas ist das?â, fragte er.
âMein Rücktrittsgesuchâ, antwortete der Verteidigungsminister.
âWarum wollen Sie zurücktreten?â, wollte Gerling wissen.
âSie vertrauen mir nichtâ, antwortete Tjaden knapp.
Der Kanzler erhob sich und ging langsam an die Fensterfront seines Büros. Er dachte nach. Dann, nach wenigen Minuten, hatte er eine Entscheidung getroffen.
âHaben Sie, als Sie von meinem ehemaligen Sicherheitsberater erfuhren, dass wir Ehlers aus
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