Palast der Dunklen Sonnen
Melvosh Bloor war ein Soziologe, kein eidetischer Xenologe, und so war es seiner Meinung nach durchaus vorstellbar, daß er sich irrte), tat der Akademiker wie geheißen. Er legte die Hand gegen die massive Tür und war etwas überrascht, als sie problemlos zurückschwang.
»Wie. primitiv«, bemerkte er, als er in den dahinterliegenden dunklen Raum blickte. Die schwache Beleuchtung des Korridors reichte aus, um etwas zu erkennen. An der Schwelle zögerte er, bis ihm sein Führer einen weiteren dieser kräftigen Stöße versetzte, der den Kalkal über seine eigenen Stiefel stolpern und aufs Gesicht fallen ließ. Die kleine Kreatur schnatterte und quietschte vor Schadenfreude, während sie über Melvosh Bloors ausgestreckt daliegenden Körper huschte. Ein Rascheln ertönte, und am anderen Ende des Raumes flammte ein schwaches bernsteinfarbenes Licht auf.
Melvosh Bloor stand vorsichtig auf. »Soll ich. Soll ich die Tür schließen?«
»Die Tür schließen! Die Tür schließen!« befahl sein Führer gebieterisch. Er saß auf einem grob behauenen Sandstein von Tischhöhe. Das Bernsteinlicht kam aus einer kleinen, kristallgeschützten Nische in der nahen Wand. Das einzige andere Objekt, das die kubische Monotonie des Raums brach, war ein zweiter Felsblock, der ungefähr die Ausmaße von Melvosh Bloors Bett daheim im Universitätskloster hatte.
Er beeilte sich, dem Befehl nachzukommen, dann setzte er sich auf den Felsblock. Er verbarg das Gesicht in den Händen und ließ zu, daß das volle Ausmaß seines Elends seine Schultern noch mehr krümmte. »Ich vermute, es ist meine Schuld, daß ich vor Beginn dieser Mission nicht genügend recherchiert habe«, sagte er. »Und zweifellos wird Professor P'tan der erste sein, der mir das vorhält, sobald wir wieder in der Universität sind. Unerträglicher alter Gormwurm. Oh, ich kann ihn schon hören, wie er wie immer große Reden schwingt, wenn er zur Juniorfakultät spricht.« Melvosh Bloor nahm eine steife Pose ein und intonierte mit blubberndem, pompösem Tonfall: »›Mel- vosh Bloor, nennen Sie das unterrichten? Sie hämmern bloß Fakten in die steinigen Schädel ihrer armen Schüler und geben ihnen die erforderlichen Noten, wenn sie den gleichen Mischmasch direkt zurück in Ihren Schoß spucken! Kein Wunder, ist es doch der gleiche Mischmasch, den Sie ganz und gar von Ihren Professoren geschluckt haben.‹« Der Kalkal schnaubte. »Dann muß er damit angeben, daß er sich in seinem Unterricht nicht auf Wissen aus zweiter Hand verläßt; er geht in die Welt und betreibt Feldforschung. Wenn ich ihn noch einmal ›Veröffentlichen oder scheitern‹ sagen höre, werde ich.«
»Feldforschung?« unterbrach ihn sein Führer mit schiefgelegtem Kopf. Dann machte er mit einem oder mehreren Körperteilen einen unfeinen Laut.
»Ganz meine Meinung«, stimmte Melvosh Bloor ihm zu. »Oh, ich wünschte, wir hätten mehr ehrliche Leute wie Sie an der Universität. Darian Gli, haben Sie irgendwelche akademischen Erfahrungen?«
Der Führer wiederholte den unfeinen Laut, diesmal nur lauter und mit mehr Enthusiasmus.
»Ah«, sagte Melvosh Bloor trocken, »ich verstehe, das haben Sie also.«
»Professor P'tan«, drängte die Kreatur.
Melvosh Bloor war es nicht gewohnt, sich der Gesellschaft eines so guten Zuhörers zu erfreuen. »Sie wünschen, daß ich. weiterspreche?« fragte er zaghaft.
»Weiter, weiter«, erwiderte sein Gegenüber mit einer weitausholenden Geste. Mit jeder verstreichenden Minute gefiel Melvosh Bloor dieser wunderliche Bursche besser.
»Mein lieber Freund, Ihre ziemlich, äh, ins Schwarze treffende Einschätzung von Professor P'tans Charakter läßt mich vermuten, daß Sie ihm begegnet sind, obwohl er geschworen hatte, nichts mit Ihnen zu tun haben zu wollen. Was ich - korrigieren Sie mich, falls ich da unrecht habe - für idiotisch halte.«
»Idiotisch.«
»Aha! Dann stimmen wir darin überein. Als ich anfing, diese Expedition zu planen - ich will natürlich sagen, sie in Erwägung zog -, haben mir meine akademischen Freunde Ra Yasht und Skarten gesagt, daß es kein Fehler sei, Sie an meiner Seite zu haben. Vielleicht erinnern Sie sich an sie? Sie haben ihnen bei den Recherchen für die faszinierende Monographie Angewandte Folter: Ein Interview mit Jabbas Koch geholfen.«
Die Kreatur gab einen würgenden Laut von sich, doch es blieb offen, ob es sich dabei um eine literarische oder kulinarische Kritik handelte.
»Natürlich steht Ihnen Ihre Meinung zu, aber mit
Weitere Kostenlose Bücher