Palast der Stuerme
schließlich vor einem hellrosa Palast stehen zu bleiben. Wie durch Zauberhand glitten die Tore in der Mauer auf, und der Wagen rollte langsam in einen Innenhof ein.
Claire war enttäuscht. Dieser Innenhof, umgeben von hohen Mauern, war eher zweckgerichtet als hübsch. Garagen und Nutzgebäude zogen sich über eine gesamte Längsseite. In der Ferne konnte Claire Wasserrauschen hören, und der grelle Sonnenschein zeichnete dunkle Schatten auf die Pflastersteine.
Raoul stieg aus und kam um den Wagen herum, um Claire beim Aussteigen zu helfen, eine Aufmerksamkeit, die sie nicht erwartet hatte. Nach dem klimatisierten Wageninnern traf die Nachmittagshitze sie wie ein Schlag, und sie schwankte leicht. Dennoch schreckte sie vor jedem auch noch so geringen Körperkontakt mit Raoul zurück. Die Erinnerung an seinen Überfall auf ihren Körper und ihre Sinne ließ sie nicht los. Wenn das Telefon nicht geklingelt hätte …
Ein Schauer lief ihr über den Rücken, aber sie kämpfte ihre Angst nieder. Raoul war wütend gewesen, deshalb hatte er sich so verhalten. Das unerwartete Treffen mit seinem Vater hatte alte Wunden aufgerissen, und Raoul hatte impulsiv reagiert, hatte verletzen wollen, so wie er verletzt worden war.
„Alles in Ordnung mit dir?“ Er schien die Frage eher automatisch zu stellen, und Claire nickte.
„Ja, nur ein wenig müde.“ Sie beugte sich in den Wagen, um Saud herauszuholen. Und wie immer fand sie Trost und Stärke darin, das Kind auf den Armen zu halten. An dem Tag, als sie dem Jungen das Leben gerettet hatte, war ein Band zwischen ihnen entstanden, und fast war es so, als wäre Saud wirklich ihr eigenes Kind.
Eine Tür im Haus ging auf, und Claire atmete tief durch. Sie war jetzt in Raouls Land und galt als seine Frau. Die Frau, die sein Kind unehelich zur Welt gebracht hatte, die Frau, die er auf Anweisung seines Onkels hatte heiraten müssen. Um Sauds willen würde sie diese Rolle perfekt spielen.
Mit hoch erhobenem Kopf folgte Claire Raoul auf die Dunkelheit zu, die hinter der offenen Tür lag.
5. KAPITEL
„Wenn die Sit t dann mit mir kommen möchte.“
Claires Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, und so erkannte sie jetzt ein hübsches junges Mädchen, das sie mit erwartungsvollen Augen ansah. Das Mädchen war aufgeregt, es lächelte schüchtern, aber herzlich. Claire war sehr müde, und so folgte sie dem Mädchen schweigend mit einem immer schwerer werdenden Saud auf dem Arm über eine scheinbar endlose Wendeltreppe, vorbei an schmalen Scharten in der Mauer, durch die das blaue Meer zu sehen war.
Endlich waren sie oben angekommen, und das Mädchen deutete auf die mit einem filigran geschnitzten Blumenmuster ausgestattete Holztür. Die schwere Tür glitt auf die leichte Berührung des Mädchens hin auf, und Claire war im ersten Moment wie geblendet von dem Licht der untergehenden Sonne in dem großen Raum. Hohe Bogenfenster gaben den Blick frei auf das glitzernde Wasser des Golfs, das würzige Aroma von Sandelholz hing in der Luft. Ein großes Bett auf einem erhöhten Podest zog Claires Blick an, der luftige Vorhang wehte leicht im Luftzug der Klimaanlage. Prächtige Seidenkissen lagen auf dem Bett und dem Diwan bei den Fenstern.
Nachdem sich das Mädchen als Zenaide vorgestellt und Claire gesagt hatte, dass es von nun an ihre persönliche Zofe sei, öffnete es eine Tür in der gegenüberliegenden Wand und bedeutete Claire, ihm zu folgen.
Ein Korridor mit Einbauschränken zu beiden Seiten führte in eine kleine Diele, von der drei Türen abgingen. Eine davon gehörte zu einem luxuriösen Bad, in dessen Mitte eine in den Boden eingelassene Badewanne sofort Claires Blick anzog. Die Wanne war groß genug, dass zwei Leute bequem darin Platz fanden. Claire rang leise nach Luft, als sich ihr das Bild aufdrängte, wie Raoul sich wohlig darin ausstreckte, die braune Haut glänzend nass.
Aufgewühlter, als sie es sich eingestehen wollte, eilte Claire aus dem Bad und war froh, als Zenaide die nächste Tür öffnete. Es war Sauds Zimmer. Im Moment standen hier als einzige Möbelstücke das Kinderbettchen und der Hochstuhl, doch sobald die Sachen aus Paris geliefert wurden, würde es hier viel fröhlicher aussehen.
Als sie wieder in der Diele standen, sah Claire abwartend zu der dritten Tür, doch Zenaide machte keine Anstalten, diese Tür zu öffnen. Auf Claires Frage, welcher Raum dahinter liege, errötete das Mädchen leicht und murmelte: „Das ist das Zimmer von Lord Raoul. Vor
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