Palast der Stuerme
perfekt ausgewählt. Man erreicht Sauds Zimmer nur durch meines oder durch …“
„… meines, richtig. Ich bin sicher, niemand wird den wahren Grund dafür erraten, aber es ist immer klüger, vorauszuschauen. Ramadan ist vorüber“, fuhr er fort, „und du wirst dich auf Besuche von weiblichen Verwandten meines Onkels einstellen müssen, die der Braut ihre Aufwartung machen wollen. Zenaide wird dir mit allen Fragen helfen.“
„Und du? Wirst du …“
„Was?“, unterbrach Raoul spöttisch. „Als liebevoller Ehemann an deiner Seite stehen? Du scheinst vergessen zu haben, dass mir diese ‚Ehe‘ von meinem Onkel aufgezwungen wurde, zum Wohle ‚unseres‘ Kindes. Nein, ich muss mich um geschäftliche Angelegenheiten in der Hauptstadt kümmern. Aber du brauchst keine Angst zu haben, der Palast ist allzeit bewacht.“
Wieso fühlte sie sich plötzlich, als würde Raoul sie verlassen? Er bedeutete ihr doch nichts. Ohne dass sie es merkte, hob sie die Finger an ihre Lippen, so als könne sie dort den Druck seines Mundes spüren. Und mit jäher Klarheit wurde ihr bewusst, dass sie seinen Mund dort spüren wollte.
Das köstliche Essen war vergessen, als sie ihn nun ansah. Vom ersten Augenblick an hatte sie sich zu ihm hingezogen gefühlt und die ganze Zeit dagegen angekämpft. Als er sie dann zum ersten Mal geküsst hatte, war es ein großartiges Gefühl gewesen. Ein Teil von ihr sehnte sich danach, seine Hände auf ihrer Haut zu fühlen.
„Stimmt etwas nicht?“ Die grünen Augen leicht zusammengekniffen, musterte er sie forschend.
Noch eine Sekunde länger, und er würde genau wissen, was sie dachte! Panisch riss Claire sich zusammen. „Nein … Nein, ich bin nur müde. Ich sollte wohl besser zu Bett gehen.“
„Wie du wünschst.“ Raoul neigte den Kopf. „Ali soll dich zu deinen Räumen begleiten. Morgen früh werde ich zum Herrscherpalast fahren. Mein Onkel und ich haben viel zu bereden.“
Zurück in ihrem Zimmer, wurde Claire bewusst, dass sie wirklich müde war. Zenaide wartete auf sie, und trotz Claires Protest bestand sie darauf, ihr beim Ausziehen und Baden zu helfen. Wie anders es doch wäre, wäre Raoul an Zenaides Stelle … Beschämt rief Claire ihre abschweifenden Gedanken zur Ordnung und entließ das Mädchen mit der Zusicherung, dass alles in Ordnung sei, sie nur unter der Zeitverschiebung und den Anstrengungen von der Reise litt.
Auf dem Weg in ihr Schlafzimmer schaute sie noch einmal nach Saud. Der Junge schlief tief und sicher in seinem Bettchen. Claire hatte den Kleinen so lieb gewonnen und fürchtete sich schon jetzt vor dem Tag des Abschieds, der unweigerlich kommen würde.
Ein kühler Luftzug warnte sie, dass sie nicht mehr allein war. Sofort stellte sie sich schützend vor das Bett und schaute mit weit aufgerissenen Augen zur Tür. Die feinen Härchen auf ihrer Haut richteten sich auf. Nach dem Bad hatte sie nur ein Laken um sich gewickelt, doch jetzt bedauerte sie es, so spärlich bekleidet zu sein.
„Claire!“
Als sie Raouls Stimme erkannte, ließ sie vor Erleichterung die Schultern sinken. „Raoul, du hast mich aber erschreckt.“
Mit leicht erstaunter Miene kam er in den Raum hinein, und Claire wurde klar, dass sie zwar ihn nicht gesehen hatte, aber er sie wohl schon länger an Sauds Bett beobachtet haben musste.
„Und dennoch war deine erste Reaktion, Saud zu beschützen.“
„Ein Reflex“, behauptete sie leicht unwohl. Keineswegs wollte sie Raoul von dem starken Gefühl wissen lassen, das sie für den Jungen entwickelt hatte. „Scheint wohl so eine Art weibliche Programmierung zu sein.“
Erst glitt sein Blick zu dem schlafenden Kind, dann zurück zu Claire. „Ist dir kalt?“ Mit den Fingerspitzen strich er über die Gänsehaut an ihren Oberarmen. „Oder gibt es einen anderen Grund, dass deine Haut so reagiert?“
Alarmsirenen schrillten in ihrem Kopf, als seine Berührung zu einem lockenden Streicheln wurde. „Ich … weiß nicht, was du meinst“, stammelte sie. Wie unsicher und bebend ihre Stimme klang! Dabei wusste sie genau, worauf er anspielte, und sein Lächeln sagte ihr, dass er es auch wusste.
„Ich meine Verlangen, Claire“, erwiderte er leise. „Warum solltest du es nicht verspüren? Du bist an die Liebkosungen eines Mannes gewöhnt, das war mir schon in Paris klar. Deine Reaktion war nicht die einer unberührten Frau.“
Seine Finger waren jetzt bei ihrer Schulter angekommen. Irgendwie brachte er es fertig, die weiche Rundung zu
Weitere Kostenlose Bücher