Palast der Stuerme
beschäftigt, um sich auf ein Wortgefecht einzulassen. „Ich muss zum Palast zurück“, murmelte sie. „Ich muss …“
„… Teddy anrufen?“, fiel Raoul ihr beißend ins Wort. „Ich bestehe sogar darauf. Und zwar, um ihm zu sagen, dass er jeden Kontakt zu dir zu unterlassen hat, solange du meine Frau bist. Und falls du es ihm nicht sagst, werde ich es tun.“
Die Drohung hallte in ihren Ohren nach, während sie ihm benommen den Pfad hinauf zum Palast folgte. Saud hielt er mühelos auf dem Arm, und der Junge plapperte in seiner noch unverständlichen Sprache fröhlich vor sich hin. Von der gespannten Atmosphäre zwischen den Erwachsenen bemerkte er nichts.
Claire rechnete derweil den Zeitunterschied aus. Ja, jetzt konnte sie in der Schule anrufen, die Nummer hatte sie im Kopf. Raoul bot ihr an, den Anruf von seinem Arbeitszimmer aus zu machen. Zu Claires Unmut kam er mit ins Zimmer und machte keinerlei Anstalten, sie allein zu lassen. Wie sollte sie ungestört mit Teddy reden, wenn er sie beobachtete, wie sie die Nummer wählte und nervös darauf wartete, dass am anderen Ende jemand an den Apparat ging?
Sie wollte schon auflegen, als sich endlich eine weibliche Stimme meldete. Es war die Sekretärin des Direktors, und von Raoul abgewandt, bat Claire, zum Direktor durchgestellt zu werden. Die Angst um Teddy war größer als die Sorge, welche Schlüsse Raoul ziehen mochte.
„Ah, Miss Miles“, drang die Stimme des Direktors durch die Leitung, „ich bin froh, dass Sie anrufen. Sie müssen entschuldigen, aber ich habe glatt vergessen, wie Sie jetzt heißen.“ Er war wie immer, ruhig und freundlich, und Claires Nervosität legte sich ein wenig.
„Teddy“, sprudelte sie heraus, „ist alles in Ordnung mit ihm? Jemand hat versucht, mich zu erreichen, und ich …“
„Und Sie haben sich Sorgen gemacht? Das tut mir so leid, Miss Miles. Nein, Teddy geht es bestens. Er wollte nur Genaueres wegen der Ferien in Erfahrung bringen. Soviel ich verstanden habe, hat er Ihnen wohl geschrieben, aber bisher keine Antwort erhalten …“ Der Direktor sagte etwas zu jemandem im Zimmer, und Claire wurde sich plötzlich beschämt bewusst, dass sie noch immer nicht auf Teddys Brief geantwortet hatte. „Hier, Sie können selbst mit ihm reden, er steht neben mir. Wenn es sich irgendwie machen lässt, dass er in den Ferien zu Ihnen kommt, wäre das sehr schön. Er möchte Sie nämlich gern sehen.“
„Aber …“ Sie wollte protestieren, doch da tönte auch schon Teddys Stimme durch die Muschel, und vor Erleichterung stiegen ihr die Tränen in die Augen.
„Hallo, Schwesterherz, du erinnerst dich also doch, dass ich noch existiere. Hör, kann ich in den Ferien für ein paar Wochen zu dir kommen?“
„Teddy, ich halte das für keine gute Idee. Es ist ziemlich kompliziert hierherzureisen“, brachte sie noch hervor, bevor ihr der Hörer aus der Hand gerissen wurde.
Raoul stand vor ihr, sein Gesicht blutleer vor Rage. „Ich habe dir doch deutlich erklärt, was du ihm zu sagen hast.“ Und während er den Hörer an sein Ohr hob, war Teddys aufgeregte Stimme zu vernehmen: „Claire, Schwesterherz, bist du noch dran?“
Einen Moment lang herrschte Totenstille. Raouls Blick hielt den ihren gefangen, und Claire wusste, dass auch er es gehört hatte. Denn als er jetzt ins Telefon sprach, lag eine unverkennbare Wärme in seiner Stimme.
„Teddy? Hier ist Raoul, Claires Mann.“ Er hörte eine Weile zu, dann fuhr er fort: „Natürlich kannst du herkommen. Ja, es stimmt schon, das mit den Flügen ist nicht so einfach, aber wir organisieren schon irgendwas. Ja, ich freue mich auch darauf, dich kennenzulernen.“ Er hielt Claire den Hörer hin. „Hier, er will dir noch Auf Wiedersehen sagen.“
Leicht benommen verabschiedete Claire sich von Teddy und ließ sich dann von Raoul den Hörer aus der Hand nehmen, als das Gespräch beendet war. Schweigen breitete sich im Raum aus, das Raoul schließlich brach.
„Ich denke, wir müssen uns unterhalten, meinst du nicht auch? Und keine Lügen mehr. Bitte, Claire“, bekräftigte er, als sie den Mund aufmachte, um etwas zu sagen. „Du wirst nicht ernsthaft von mir erwarten, dass ich dir glaube, ein Junge, der noch nicht einmal den Stimmbruch hinter sich hat und der dich ‚Schwesterherz‘ nennt, wäre dein Liebhaber. Ich verstehe nicht, warum du ein solches Missverständnis zugelassen hast.“
„Wirklich nicht?“, hakte sie bitter nach. „Vielleicht war es einfach leichter, dich
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