Palast der Stürme
Grovsners Haltung so etwas wie Furcht zu erkennen. Das befriedigte ihn, und es genügte ihm.
»Es wird dir nicht gelingen, mich zu provozieren, Harry«, erklärte Collier. »Ich habe keine Absicht, noch mehr Zeit mit dir zu verschwenden. Wo ist Miss Sheffield jetzt?«
Grovsner drückte sich noch fester an die Statue. »Ich weiß es nicht«, antwortete er. »Ist sie nicht ins Haus zurückgekehrt?«
»Ich habe sie dort nicht gesehen«, sagte Collier. »In welche Richtung ist sie gegangen?«
»Ich glaube, in diese.« Grovsner fuhr mit seiner Zigarette durch die Luft. Die lange graue Asche fiel von der Spitze auf seine Jacke. »Als sie mich verließ, war ich nicht in der Verfassung, alles genau zu beobachten.«
»Bist du das denn jemals?«, knurrte Collier und wandte sich von ihm ab.
Er schritt leise voran, ohne ihren Namen zu rufen. Wenn er sie erschreckte, würde sie vielleicht vermuten, das Grovsner sie verfolgte. Außerdem wollte er die Gäste auf der Veranda nicht aufmerksam machen und sie damit in eine peinliche Situation bringen. Schließlich wurde er durch ein Geräusch auf sie aufmerksam, das er zuerst mit einem Stich im Herzen für Weinen hielt. Doch als er rasch auf die Quelle zuging, erkannte er, dass es sich um unterdrücktes Lachen handelte.
Als er Roxane gefunden hatte, entdeckte er, dass sich in das leicht hysterische Lachen auch Tränen mischten. Bei dem Geräusch seiner Schritte hob sie den Kopf. Ihre grünen Augen schimmerten feucht und spiegelten das Mondlicht wider. Selbst ihre Wimpern waren nass und verklebt wie kleine stählerne Schwerter im silbrigen Mondlicht. Er sah Zorn in ihren Augen, gefolgt von einer Form seltsamen, stillen Erkennens, und dann zuletzt Resignation.
Aber keine Überraschung. Sie zeigte sich nicht überrascht, ihn zu sehen.
»Roxane«, sprach er sie an.
Sie erhob sich von der eisernen Bank, auf der sie gesessen hatte, und ließ ihren mit einer Hand gerafften Rock los. Der Stoff fiel wie tiefblaues Wasser auf den Boden, bis der Saum raschelnd über das Gras streifte. Ihre weißen Schultern über dem Mieder trugen die Schatten ihrer eigenen Konturen. Einige Haarsträhnen hatten sich aus der dunklen Hochfrisur gelöst und bildeten ein dünnes Netz auf ihre hellen Haut. Ihre Körperhaltung wirkte sowohl trotzig als auch verletzlich.
Eine Weile schaute Roxane Collier wortlos an. Er sah das Blut in ihren Schläfen und in ihrer Kehle pulsieren.
»Ich habe ihn geschlagen«, sagte sie schließlich und starrte ihn mit weit geöffneten Augen an.
An ihren Knöcheln traten einige Blutstropfen hervor, die sie jedoch nicht zu bemerken schien. »Ich habe ihn zu Boden geschlagen.«
»Ich weiß, Roxane, meine Liebe.«
Sie schüttelte den Kopf, und aus ihrer Kehle drang ein Laut, während sie ihren Blick langsam über sein Gesicht gleiten ließ. Seine Miene verriet eine merkwürdige Mischung aus Zärtlichkeit, Unschlüssigkeit und Belustigung. Sie streckte ihm ihre Hand entgegen. Er nahm sie und legte ihre Finger auf seine. »Tut es weh?«, erkundigte er sich.
»Nicht sehr«, erwiderte sie. »Tut es ihm weh?«
»So sehr, dass er es nicht so schnell vergessen wird, nehme ich an.«
Collier zog sein Taschentuch heraus und tupfte das Blut mit dem weinbefleckten Stoff von ihren Fingern. Sie zuckte kurz zusammen, bevor sie sich ruhig seine Fürsorge gefallen ließ. »Ich werde die Wunde verbinden, damit Sie Ihr hübsches Kleid nicht ruinieren«, erklärte er leise und wickelte ihr das Taschentuch um die Finger. Er drehte ihre Hand um und verknotete das Tuch lose über ihrer Handfläche. Fasziniert betrachtete er die Struktur ihrer Hand und genoss es, sie in seiner zu halten. Die Haut war zart und weich, und die schlanken Finger waren warm, als er seine dazwischenschob, und der Knoten sich in seine Handfläche drückte. Er hob ihre Hand an seinen Mund und berührte mit leicht geöffneten Lippen die duftende Haut ihres Handgelenks. Er spürte ihren Pulsschlag durch die blassen Venen. Als er zu ihr aufschaute, sah er, wie ihre grünen Augen sich weiteten. Ihre Lippen teilten sich, und ein rascher Atemzug hob ihre Brust und drückte sie gegen den Ausschnitt ihres Mieders.
»Collier«, keuchte sie. »Bitte …«
»Sollte ich vorsichtig sein, Liebes?«, raunte er, die Lippen immer noch an ihrem warmen, sehnigen Handgelenk. In seinen Augen funkelte zärtliche Belustigung. »Behandeltst du alle deine angehenden Verehrer so brutal?«
»Das … das war bisher noch nicht nötig«, bekannte
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