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Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Timmermans
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Sümpfen.
    Die Wälder sind das Herz der Erde! Überall war der wohlige Geruch von Moos und frischem Holz. Und dann die Walderdbeeren, die roten Walderdbeeren, mit ihrem leichten Nachgeschmack nach Wein. Pallieters Lippen wurden purpurrot davon. So drang er durch einen wollüstigen Überfluß von Leben und Wachstum hindurch, bis er in den eigentlichen Wald kam. Da nahm er seinen Hut ab, blieb erschüttert stehen und fühlte sich nicht größer als ein Däumling. Hier waren keine Sträucher. Aber aus dem braunroten Blättergrund stiegen überall die grauen, glatten Buchenstämme empor wie Kerzen und sperrten hoch oben mit einem dichten Laubgewölbe den Blick in den Himmel. Sie reihten sich hinter- und nebeneinander in einer unermeßlichen Tiefe von Bäumen, die ganz fern zusammenwuchsen zu einem hölzernen Vorhang, wo weder Licht noch Land durchschimmerte. Hier wars, als ob die Abenddämmerung schon herniedersinken wollte, und still wie unter Wasser.
    Und um etwas zu hören, rief er mit der Hand um den Mund: »Pallieter!« Sein Name hallte wie in einer Kirche, und der Klang erstarb erst nach dreimaligem Echo in der grauen Ferne des Waldes.
    Und dann fing er an so laut und lang zu lachen, daß das eine Echo gegen das andere stieß, daß überall Lacher waren, hier, dort, vor und hinter ihm. Und während der Widerhall sich kreuzte, donnerte immer weiter Gelächter aus Pallieters Mund. Der ganze Wald lachte.
    »Jetzt haben die Bäume gesprochen«, sagte Pallieter und lief singend weiter.
    Der Wald war wie ein hoher Saal. Pallieter blieb stehen und guckte nach einem Eichhörnchen, das an einem Baum emporkletterte, und nach rotgefleckten, fabelhaft großen Pilzen zu Füßen der Bäume.

     
    Überall lag Kaninchenlosung, und die Tierchen selbst, von Pallieters Gesang erschreckt, huschten in ihre Löcher. Er sah eine Fuchsfalle. Mit einem Fußtritt ließ er sie zuschnappen und sagte, indem er sie in die Erde vergrub:
    »Weil der Fuchs kein Gras frißt, soll er sterben! Arme Füchslein!« Pallieter löschte seinen Durst an einem handgroßen Wasserfall, der Quelle eines Bächleins.
    Der Waldgeruch hing um ihn, sein Rock und seine Hände waren grün von Moos, sein Gelächter hing noch irgendwo in der Ferne, und die Stille des Waldes rauschte noch in der Hefe seines Herzens. Er hatte den Wald gefühlt.
    Wie schade, daß er sein Jagdhorn nicht mitgenommen hatte, um all die tiefsten Tiefen in Klängen aufgehen zu lassen. »Aber das is für später«, sagte er und lief geradenwegs in die fetten Wiesen hinein, die schon ganz übergossen waren von heißer, starker Sonne und gesprenkelt mit braunen, weißen und schwarzen Kühen. Er ging durch das dünne Gras, und ein wachsender Hunger ließ ihn nach den rosigen Eutern sehen, die voll süßer, warmer Milch hingen.
    Das Wasser lief ihm im Munde zusammen. Er brauchte nur zu ziehen, um sie genießen zu können, und vor übergroßem Verlangen legte er seine Peitsche hin. Er rollte ein Stück Papier zu einer spitzen Tüte zusammen, setzte sich unter eine Kuh, zog an einer Zitze, und siehe, ein weißer Milchstrahl schoß rauschend und schäumend in das Papier. Als es voll war, trank er es aus, und es schmeckte ihm so gut, daß er drei Tüten vollzapfte. Er hörte die nach Butter schmeckende Milch in seinen leeren Bauch kollern; sie tropfte ihm vom Kinn in den Hals hinunter, und er sagte zu der Kuh:
    »Oh, wandelndes Gasthaus, ich danke dir!«
    Im Weitergehen schleuderte er das laute Knallen seiner Peitsche vor Behagen über die Weiden, und er dachte:
    »Hier fehlt nur noch Mariechen!«
    Oh, sie bei sich zu haben in diesem Palast der Natur, sie umfassen zu dürfen, mit ihr in den Armen über die Bäche zu springen, zusammen sich mit nassen Küssen im weichen Gras zu wälzen und seine fühlenden Finger auf ihrem kernigen Fleisch spielen zu lassen!
    Oh!..
    Und ohne es zu wollen, sah er sie im Geiste vor sich, durch ihre Kleider hindurch. Er sah nicht mehr das blaue Kleid mit den weißen Tupfen, er sah einen vollen, nackten Leib mit schön gerundeten Gliedern. Er schloß die Augen vor wachsendem Genuß und sang auf sie:
    »Marieke, pirrewieke,
    pirrewitje, kandieke,
    pirrewitje, kanditje,
    wahrhampel, Marieke!
    O Balsam, o Honig, o Butter der Seel!«
    Pallieter begann in süßem Vorahnen mit der Peitsche zu knallen, stampfte die Maulwurfshaufen auseinander, lief und drehte sich mit fliegenden Füßen um die jungen Bäume herum und setzte sich durch das Gras und die hohen Blumen in Trab, bis er

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