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Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Timmermans
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komm, ich trag dich hinüber!«
    Und sogleich sprang er über den Bach, nahm die böse Charlot in die Arme und trug sie mit vieler Mühe durchs Wasser. Er brach fast zusammen, und sie klammerte sich an ihn, in jeder Hand einen Strumpf, und murmelte ein paar Stoßgebete. Der Schrecken stand zum Greifen deutlich in ihren Augen.
    »Na, siehst du, du frommer Fleischpalast«, sagte Pallieter und setzte sie nieder.
    Charlot blieb böse und sprach im Weitergehn kein Wort mehr.
    Pallieter blickte über das schöne Land und rauchte aus einer großen, hölzernen Pfeife. Die Luft war still wie ein Weiher, und der Rauch stieg senkrecht in die Höh. Ein Sperber hing ganz hoch oben am Himmel, an dem drei kleine Wölkchen dahinzogen.
    Pallieter sah Charlot schmollen und sagte:
    »Du mußt heut abend noch an Mariechen schreiben, daß sie jetzt kommen soll.«
    »Ach ja!« rief sie laut vor übermäßiger Freude, »das wird fein.« Und den ganzen Weg stand ihr der Mund kein Ave-Maria lang mehr still.
    Sie tranken auf dem Bauernhof einen Schoppen und gingen zurück, aber einen anderen Weg, wegen des Bachs.
    Das weiße Licht der Sonne war nun golden geworden, und die Schatten waren noch einmal so lang. Der ganze Himmel war in einen ,Lämmermarkt’ verwandelt, lauter kleine, weiße Wölkchen aneinander gedrückt. Das sinkende Licht berührte sie, und sie wurden rosig wie neugeborene Kinder. Hinter einem Wäldchen öffneten sich die Fernen, lauter saftiges Weideland. Und, Gott! die Wiesen waren wie Feuer und Flamme.
    »Charlot, hör auf mit Mariechen!« rief Pallieter. »Der Sauerampfer brennt! Der Sauerampfer brennt!«
    Jedes Blatt von dem frischgeschossenen Sauerampfer schlürfte einen Tautropfen Sonnenlicht in sich hinein, jedes Blatt brannte davon, die ganze Welt brannte davon!
    Pallieter zitterten fast die Beine vor Bewunderung, und er sagte:
    »Künstler mit und ohne Haar, kommt allesamt herbei und werft alle Galle und saure Milch in den Ofen.«
    Es war wie brennendes Wasser, es war wie Licht im Licht, es war wie Geist im Geist, wie etwas, was nicht mehr von der Erde war.
    »So komm doch,« meinte Charlot, »was is denn an rotem Sauerampfer zu sehn.«
    »Wart, bis es auf hört!« und Pallieter rührte sich nicht mehr. »Dann geh ich allein weiter«, sagte Charlot und nahm ärgerlich die Kanne an den Arm und schritt, schiefgezogen von dem Gewicht der Buttermilch, durch die krummen, schmalen Wege...
    Die Erde drehte sich von der Sonne weg, und als im Westen noch ein paar Flammen geflackert hatten, hing der Osten schon voll blauer Dunkelheiten mit einem weißen Stern.
    Da ging Pallieter weiter.
    Der Abend füllte den Himmel. Die Bäume standen schwarz und still, und ein Stern nach dem andern kam im tiefen Blau zum Vorschein. Pallieters Herz öffnete sich vor dem Frieden im weiten Lande. So still, wie die Welt um ihn, so still war es in seinem Herzen.
    Zwei Bauern gingen mit gebogenen Knieen über den Weg, jeder mit einer hohen Sense über der Schulter—sie schwiegen und rauchten, und vergehendes Licht leuchtete an den Spitzen des Stahles.
    Von fern kam ein langsames, dumpfes Wagengerassel durch die Stille.
    Auf einmal erkannte Pallieter die Frau von Petras, dem Storchen, die regungslos und aschgrau im Abendlicht auf ihren Stelzbeinen in einem Tümpel stand und noch auf Fische lauerte.
    Der Duft der schlafenden Blumen zog zart über das niedergebogene Gras.
    Das Wagengerassel war nun nahe herangekommen, und Pallieter sah im fahlen Lichtschein über der Erde die stampfenden Pferdehufe und das unregelmäßige Auf und Ab der hohen Räder.
    Und oben auf dem aufgeladenen Gras erkannte er die Magd eines Bauern aus der Nachbarschaft.
    »He,« rief Pallieter, in einem plötzlichen raschen Einfall, »darf ich zu dir auf den Wagen kommen?«
    »Ja, komm nur!« sagte sie erfreut.
    Und er machte zwei Sätze nach oben und saß neben ihr auf dem weichen Gras.
    Er legte sofort den Arm um ihre dicken Hüften, und die Stöße des Wagens schoben seinen Leib gegen den ihren. Er umfaßte sie fester und gab ihr einen Kuß auf die kugeligen, festen Wangen. Und dann fing er an, ihr alles mögliche zu erzählen, was sie mit gedämpftem Kichern beantwortete.
    Das Pferd ging in gleichmäßigem, trägem Schritt weiter, und der Wagen rasselte lauter im herankommenden Abend.
    Stille umringte die Welt, und die Sterne standen größer und zahllos an der schieferblauen Himmelsdecke.
    Eine Eule flog mit schlappen Flügeln dicht über den Wagen... Sie lagen schweigend

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