Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Timmermans
Vom Netzwerk:
nebeneinander und sahen nichts als den ungeheuren Himmel, und die Sterne wanderten mit ihnen mit. So rasselten sie weiter, bis das Pferd auf einmal wieherte. Sie sprang auf und sagte hastig: »Schnell, hinunter! Wir sind da! Eil dich!«
    »Noch einen Kuß! Bis zum nächsten Mal!«
    Und er sprang mit einem Satz vom Wagen hinunter.
    Sie gab keine Antwort, rief dem Pferd ein »Hü!« zu und zog die Zügel fester an.
    Pallieter sah den schneller fahrenden Wagen sich im Dunkel verlieren und sagte zu sich selber: »Unerwartete Liebe schmeckt am besten.«
    Und pfeifend ging er über die fruchtbaren, schlafenden Felder nach Haus.

 
     
     

Das Flugzeug
     
    M ariechen war gekommen!
    Sie war schon drei Tage da, und Pallieter war froh wie eine Amsel im Frühling.
    All der innige Genuß, den das freie Feld ihm gab, wurde ihm nun auch in reichem Maße durch sie zuteil.
    Es war, als ob sie die Natur in Person sei. Er durfte ihr ganz frei gegenüberstehen, so wie er sich unter den Schlüsselblumen und dem Schilf fühlte.
    Sie war offenherzig wie der Wind, der seine Lieder über die Nethe rollt; und sie war gut wie die Erde, die Schwertlilien und Klee gibt.
    Ihm wurde warm, wenn er sie ansah, und in ihrer Gegenwart ging ihm das Herz auf.
    Alles an ihr war lebendiges Leben; wenn ihr Mund lachte, war es, weil ihr Herz lachte; dieses Fleisch war gesund und voll frischer Lebenskraft, wie ein Stück Erde im April. Es war Saft!
    Wer die Natur lieb hatte, mußte auch sie lieben. Und Pallieter tat das. Ach, wie freute er sich, daß sie da war; er hätte sie aufknacken und aufessen und ihr weh tun mögen, er wußte selbst nicht, aus was für einem Gefühl.
    Er sagte: »Wenn die Erde je einen Menschen machen würde, so müßte sie einen wie Mariechen machen.«
    Während sie auf dem ,Reinaert’ wohnte, feierte die Welt das Fest des Hochsommers.
    Die Hitze stand drückend über der Welt, und der Saft kochte in den Bäumen. Aber zur rechten Zeit kamen laue, milde Regen, die die Erde fettig hielten, und die Luft blieb frisch und rein.
    Das war ein übergroßes Glück für das innerste Leben der Erde, denn nun konnte sie alles geben, womit ihr Herz vollgepackt war; und wie die steigende Flut der See wogten alle ihre Reichtümer in die Höhe.
    Die Gehöfte waren rot vor Kirschen und die Felder gelb vor Korn.
    Das Gras stand dicht wie Mohrenhaar, und die Schmetterlinge, diese wandelnden Blumen der Luft, wimmelten wie Blätter im Herbst über die blumengeschmückten Wege. Waren je so viel Hechte in der Nethe und so viel Aale in den Gräben?
    Es fehlte nur noch Milch und Honig in den Bächen.
    Aber für Pallieter war es auch so gut. Denn ist nicht jede Gegend der Erde ein Gelobtes Land, wenn nur der gelobte Mann dazu da ist? Setzt einen Pfennigfuchser oder einen Kaufmann hinein, und die Milch wird dünn und blau und der Honig voll Kartoffelmehl... Aber es war ein doppelter Sommer, einer unter tausend!
    Und an einem solchen Morgen, als der Tag noch kaum am Himmel aufstieg, wachte Pallieter schon mit Singen auf. Doch auf einmal schwieg er, denn er sah von seinem Bett aus die ersten Mäher in den Wiesen stehn.
    Sein Herz klopfte, und er lief im Hemd nach Mariechens Kammer und rief durchs Schlüsselloch: »Die Mäher stehn im Gras, komm schnell!«
    Darauf lief er zurück in seine Kammer, stürzte sich in die Hose und fing wieder an, an Mariechens Tür zu rufen und zu klopfen.
    Nach vielem Radau ging die Tür auf, und da stand Mariechen auf bloßen Füßen, in einem roten Kattunkleidchen und einem weißen Taschentuch um den Hals.
    »Ach wie schön!« entfuhr es ihm, und es war, als ob er an jedem Finger einen Draht hätte, der ihn zu Mariechen zog. »Komm,« rief er, »oder ich falle um!« Und er faßte sie bei der Hand, und sie flitzten die Treppe hinunter, steckten die Füße in geschwärzte Holzschuhe und liefen in den Garten. Aber drinnen im Stall stampfte die Stute, und Pallieter bekam auf einmal den guten Einfall, zu reiten.
    Sie drehten die Stalltür auf und holten Beiaard, die weiße Stute, heraus.
    Es war ein Koloß von einem Pferd, mit fingerdicken Adern.
    Es schüttelte den großen Kopf; und die dicke, lockige Mähne, die auf beiden Seiten seines breiten Halses hing, flatterte wie eine Fahne. Ab und zu lief ein wohliges Zittern durch seine Haut, und die dichtbehaarten Hufe stampften Löcher in den Boden, und der lange Schwanz schlug hin und her.
    Es wieherte, und es war wie ein festliches Gelächter, das über die Felder sprang. Pallieter

Weitere Kostenlose Bücher