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Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Timmermans
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und hohen Bäumen darauf senkten sich, in ungleiche Vierecke geteilt, zu den tiefgelegenen Wiesen hinunter, die nach der Nethe zu sanken; und am andern Ufer stieg die gleich fruchtbare Erde in die Höhe, aber sie war unsichtbar durch das starke Sonnenlicht.
    Das Licht hing in dem Tal wie ein dichter Wind, und Pallieter und Mariechen konnten nur mit einem geschlossenen und einem offenen Auge die Weite betrachten.
    Und mit der flachen Hand über das Tal hinweisend, sagte Pallieter:
    »Das ist meine gute Stube! mein Salon! Der Himmel ist meine Decke, die Sonne meine Uhr, das Gras ist mein Teppich, der Regen meine Gardinen, aber... mein Bett ist ohne Frau!« Mariechen wurde rot, lächelte, sah ihm einmal ganz unbewußt rasch in die Augen und senkte dann den Blick. Pallieter hatte es gesehen, es sagte ihm mehr als genug, und es war, als ob ihm eine Tür geöffnet würde, voll von duftenden Äpfeln.
    So war denn eine Stille rings um sie her, während sich in ihren Herzen das Höchste vollzog.
    Aber plötzlich kam aus dem hellen Himmel ein gewaltiges Summen. Sie sahen beide in die Höhe, und, Gott! ganz oben an dem grellblauen Himmel hing ein weißes Eindeckerflugzeug, das mit lautem Schnurren und Brummen gleichmäßig wie auf Wasser durch die Luft zog.
    Mit beiden Armen darauf hinzeigend, stieß Mariechen einen Schrei aus, und Pallieter schwieg vor Ergriffenheit wie ein Stein; er fluchte innerlich vor Bewunderung, wurde heiß wie Milch, und Tränen traten ihm in die Augen.
    Wie war das schön: graziös wie ein Reiher, ohne Schock und Stoß, trieb es ruhig durch die Luft, mit den Flügeln und dem Schwanz grellweiß gegen das warme Blau.
    Die Luft war erfüllt von stählernem Summen, und alle Menschen im Tal liefen von ihrer Arbeit weg und aus den Häusern heraus und sahen in die Höhe.
    »Ein Engel kann nich dagegen an«, flüsterte Pallieter. »Nein,« sagte Mariechen, »ich kann meinen Augen nich trauen!«
    Es war, als ob etwas Heiliges über die Welt käme. Die Tauben schossen erschrocken davon, und überall ertönten Stimmen von rufenden Menschen.
    Aber auf einmal wars, als ob das Flugzeug still stünde, wie’s ein Falke macht, wenn er sucht; es machte eine Schwenkung, schnitt zierlich einen Halbkreis über die Landschaft, und dann auf einmal flog es in einer geschmeidigen Linie senkrecht aus der schwindelerregenden Höhe nach unten und landete glatt wie eine Krähe in den Wiesen am anderen Ufer der Nethe. Die Kühe, die ruhig grasend dagelegen hatten, sprangen erschrocken auf und rannten in großer Verwirrung davon; es waren welche dabei, die stallend wegsausten, die Beine auseinander und den Schwanz in die Höh.
    »Komm!« brüllte Pallieter.
    »Aber das Wasser!« rief Mariechen ängstlich.
    »Wasser, Wasser, Wasser! übers Wasser, hü!..«
    Und er gab Beiaard zwei Tritte, packte den Zaum und heidi, da holte Beiaard aus und raste vorwärts.
    Das Pferd griff aus, die Hufe berührten kaum noch den Boden, und Mähne und Schwanz standen waagerecht nach hinten. Es ritt die Luft entzwei, und Erdklumpen flogen in die Höhe und in die Bäume.
    Pallieter und Mariechen saßen gebückt, hoben sich hoch, um leichter zu sein, und die Bäume schossen vorbei; das Korn war ein bleiches Rauschen und der Boden ein rieselndes Wasser.
    Pallieter schrie und fluchte nur immer: »Hü, hü!«
    Geradeaus ging der Ritt, ratsch durch den Wirsingkohl und die Rüben, über die Gräben, durch Erlengebüsch, immer geradeaus, die Erde dröhnte, Vögel schossen auf, und Hühner stoben gackernd auseinander.
    Pallieter blickte auf. Auf allen Wegen und durch die Felder kamen Menschen herangelaufen, und da, da lag die Nethe hoch und still.
    Pallieter verlor die Holzschuhe, Mariechen stieß einen Schrei aus, und Beiaard plumpste donnernd in das weiche Nethewasser.
    Es war, als ob eine Bombe platzte, ein Sprühen wie von hundert starken Springbrunnen; das Wasser wogte auf, platschte weiße Wellen in die Höhe und schnalzte und schlug bis auf den Deich.
    Das Wasser ging ihnen bis an die Brust und schlug ihnen über die Schultern.
    Schnaubend schwamm Beiaard durch das Wassertosen hinüber und hob sich mit viel Mühe, tropfend wie eine Regenwolke, auf den Deich.
    Dort lag das Flugzeug, ringsherum von Menschen umgeben, man konnte über die Köpfe laufen, und zu dritt, eine Unmenge von Wassertropfen umhersprühend, kamen sie heran. Die Leute stoben verblüfft auseinander, und da lag das Flugzeug, weiß und leicht, als ob mans nur so mit einer Hand hochheben

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