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Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Timmermans
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du mitgebracht hast«, sagte Pallieter.
    Sie holte ihr Eimerchen, knöpfte das nasse Taschentuch ab und holte, immer weiterredend, eine gläserne Kugel heraus, in der ein kleines Marienfigürchen stand.
    »Guckt nur, wie schön!« rief sie, »es schneit.« Und sie drehte die Kugel um, schüttelte sie hin und her, und da fielen und wimmelten in der Kugel lauter kleine, weiße Stipschen um das Figürchen herum.
    »Das is mir auch ein Schnee, Sägemehl!« sagte Pallieter. »Nich spotten!« drohte Charlot, »oder ich tu alles weg! Und seht nur hier, Herr Franzoo,« lachte Charlot, »guck nur, Vetter!« Und sie holte aus einer Pappschachtel ein glänzendes Messingding heraus. Es war eine kleine Mutter Gottes, die flach und waagerecht auf einer Schelle lag. Charlot drückte dem Figürchen mit dem Daumen aufs Gesicht, so daß die Beine hochkamen, dann ließ sie auf einmal los, und sie prallten heftig gegen die Schelle, daß es klingelte wie in einer Kirche.
    »Das stellt man auf den Tisch, und wenn du mich nötig hast, schellst du einfach.«
    »Und«, meinte Pallieter, »dann wirst du glauben, daß die Mutter Gottes dich ruft.«
    »Schweig,« sagte sie, »hier is eine Mutter Gottes, die sieht man im Dunkeln. Kommt, guckt nur«, und sie stellte ein Marienfigürchen aus Gips in den Schrank, machte die Tür fest zu und ließ sie durch das Schlüsselloch sehen. Pallieter guckte, Franzoo guckte, und wahrhaftig, aus der kohlrabenschwarzen Dunkelheit im Schrank blühte grünlich das mit Phosphor bestrichene Standbildchen auf.
    »Schön, gelt? rief Charlot, »ordentlich zum Fürchten.«
    »Was sich die Leute doch alles ausdenken, gelt, Vetter?« sagte Franzoo.
    »Ja,« meinte Pallieter, »und wenn der Mensch nich mehr mit Puppen spielen kann, dann spielt er mit der Mutter Gottes.« Und siehe da! eins, zwei, drei, packte Charlot alles vom Tisch und brachte es entrüstet in ihre Kammer. Sie rief:
    »Nun kriegst du nix davon, und ich zeig euch gar nix mehr!« Pallieter und Franzoo fingen schon an, Kaffee zu trinken; dann setzte sich Charlot schweigend und böse dazu, aber beim Essen wurde sie langsam wieder guter Laune und fing an, von Mariechen zu schwätzen. Mariechens Bild machte Pallieter den Kopf warm, er ließ den Tisch abräumen und Wein bringen, um auf ihr Wohl zu trinken.

     
    Unter den Trauben, die einmal Wein werden sollten, tranken sie das dunkelrote Naß aus großen, kristallenen Römern, die sangen, wenn man sie nur leicht anstieß.
    Franzoo war beglückt über den guten Wein, sein Glas war niemals leer und niemals voll; es ging ihm ein wie Wasser. Charlot trank süßen, weißen Wein und hatte eine Flasche für sich allein. Pallieter blieb hinter Franzoo nicht zurück, und die zwei stießen an und tranken, während sie sich was von Mariechen erzählten und große Zigarren rauchten, fast viereinhalb Flaschen leer, daß ihnen die Augen stier im Kopf standen und sie die Worte nicht mehr finden konnten. Charlot ging weg, um Besorgungen zu machen, und sie tranken jeder noch eine Flasche alten, schwarzen Wein.
    Es fing an dunkel zu werden, und Pallieter sagte: »Komm, wir wollens auch dem Pastor sagen.« Mit tastenden, unsicheren Schritten gingen sie hintereinander durch den Platzregen und lachten alle beide, ohne zu wissen, warum. Sie fanden den Pastor noch in seinem Kaktustreibhaus am Basteln. Der gute Mann hatte eine Sammlung der seltensten Kaktusarten und er wandte viel Zeit daran und sprach gern davon.
    Das Datum wurde dem Pastor kundgetan, und er holte drei Flaschen vom Allerbesten herauf. Die Kerzen wurden angezündet, und der Pastor wollte auf seinem Cello Beethoven spielen, aber sie begriffen es nicht: Pallieter und Franzoo saßen da, alle beide völlig besoffen, und tranken immer noch weiter. Pallieter sang etwas ohne Worte, fing wieder an zu erzählen, um dann plötzlich zu schweigen, Franzoo saß da und lachte, lachte immerfort ohne Aufhören. Und jetzt rief er: »Jetzt gehn wir in meine Mühle und trinken eine Flasche; komm, Pallieter, komm, Pastor!«
    Aber der Pastor mußte noch Brevier lesen und ging nicht mit, und Pallieter und Franzoo gingen zusammen über den Beginenhof, taumelnd von einer Seite zur anderen. Pallieter fiel in eine Fensterscheibe, und es gab lautes Geklirr von brechendem Glas durch die späte Stille.
    Sie setzten über, und singend, daß es schallte, schwankten sie Arm in Arm weiter durch den Regen, der immer noch gleichmäßig das Land begoß... Und als Pallieter am anderen Morgen in

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