Pallieter
auf und bat bebend: »Laß mich! Ich will mich anziehen!« »Es ist zu schön, mein Engelchen«, sagte er; er bückte sich und hob sie aufs Pferd, überglücklich, den nackten schönen
Leib mit den Händen berühren zu dürfen. Er küßte sie unbändig, aber sie preßte die Augen zu, sah nicht auf, hielt die Hände immer vor die steifen Schenkel, und eine Träne rollte ihr über die Wangen.
»Was? Tränen! Nein, das nicht!« sagte er; »wir wollen deine Kleider holen«, und er kehrte um. Da sah sie ihm glücklich und dankbar in die Augen, und er gab ihr einen langen Kuß. Sie schlang die zarten Arme um seinen Hals und ließ ihr Köpfchen auf seine breite Schulter fallen.
Etwas später saßen die drei Mädchen angekleidet auf dem Pferd. Pallieter ging voran und spielte auf dem Dudelsack; und sie sangen zu viert.
Sie aßen gekochten Schinken mit Schwarzbrot und genossen duftenden Kaffee. Den Eltern wurde von dem Schwimmen nichts erzählt, aber festgesetzt wurde, wann der Hochzeitstag sein sollte. Und der sollte fallen auf den 21 . des nächsten Monats. Das war der Monat September, der Reichtum des Jahres, die Lust des Erdenlebens.
Regen
A m andern Tag, nach einem flammenden Nachtgewitter, goß es in Strömen. Der Regen fiel schräg in langen, dicken Streifen und platschte heftig auf den Boden; es war, als ob Säbel herunterfielen.
Die Fernen waren blau umnebelt davon, und immer noch zogen neue Regenvorhänge gießend über das Land.
Pallieter rauchte eine Pfeife unter dem Wagenverschlag und lauschte auf den Regen wie auf eine Geschichte aus einem alten Buch. Es war eine angenehme Abwechslung nach all der drückenden Backofenhitze, und eine neue Frische wuchs aus der Erde. Das Wasser schlug laut auf das Dach, rollte in die Dachrinne, die all den Überfluß nicht fassen konnte und darum überfloß, platschend und klatschend, daß es Löcher in den Sand wühlte. Es bumste in die Eimer und klopfte auf die Fässer, es rauschte über die schmachtenden Bäume und spielte rasselnd auf dem Wasser. Das ganze Land rauschte unter der milden Labung wie in einem großen Seufzer der Erleichterung. Der Pferdestall stand offen, und der Misthaufen dampfte. Pallieter saß auf dem Schubkarren und blickte nach den Tropfen, die von den Dachziegeln fielen, wie Püppchen hochsprangen und in kurzlebigen Bläschen vergingen.
Es war, als ob es über sein Herz regnete, das schwoll vor Wohlbehagen. Er sah die blauen Fernen, das geschwollene Wasser, den nassen Garten, aus dem der Regen den süßesten Rosenduft emportrieb; er sah seinen blauen Pfeifenrauch durch den Regen wegziehen, und ein starkes Gefühl von inniger Güte wallte in ihm auf, ein Gefühl, das sich auswirken mußte, weil es zu groß und zu schön war und er es nicht verdauen konnte. Er wollte den Regen fühlen bis in das Herz hinein.
Er sprang in den kleinen Kahn, der da grau und alt am Ufer träumte, stieß ab und arbeitete sich aufrechtstehend stromaufwärts. Der Regen tanzte mit einem breiten, rhythmischen Geräusch über das Wasser. Das singende Wasser war so verlockend! Und er, patschnaß, schaffte und ruderte mit dem Riemen so kräftig im Wasser, daß der Gegenstrom schäumend an den Vordersteven schlug. Er sang.
Was war es für eine Seligkeit, all den Überfluß von labendem Naß so schmetternd herunterstürzen zu hören, mit einer so rauhen Milde wie das Geschenk eines Riesen. Die Bäume konnten die Gewalt des Regens nicht fassen, das Gras lag platt, und das Wasser lief in schäumenden Bächen dem tieferen Grunde zu.
Es war eine Wollust ohnegleichen, all die Last von Wasser auf dem Leibe zu fühlen. Es durchnäßte ihn bis auf die Haut, aber er sang:
»O Herr, deine Füße tropfen von Fettigkeit,
Sie segnen die Sprößlinge der Erde!«
Er hob den Kopf und ließ sich das Gesicht vom Regen rot schlagen und seine Brust und seine Schultern beplatschen. »Oh! Regen, umhülle mich mit deinen Schleiern, du Bruder der Sonne!«
Und so fuhr er über das rauschende Wasser und durch das rauschende Land, und er ruderte immer weiter und sang, über die nassen Felder blickend:
»Es regnet, es regnet,
Es regnet seinen Lauf,
Und wenns genug geregnet hat,
Dann hörts auch wieder auf!«
In dem herrlichen Wasserlärm war nirgends ein Mensch; ja, doch einer, ein Fischer, der, ganz versteckt in einem ledernen Mantel, angelte. Er stand unbeweglich wie ein Felsen und ließ den roten Pfropfen nicht aus den Augen.
Ganze Schwärme von Schwalben saßen auf dem
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