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Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Timmermans
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ließ Beiaard schneller laufen. Dort hinten am Ausgang des schmalen Dorfes lag ihr Haus, und um sie zu überraschen und sich anzukündigen, fing er an, auf seinem Dudelsack zu spielen und ritt so durch die Allee auf das weiße Haus zu. Ein Bauer guckte über eine Hecke, und zwei Stöpselchen von Kindern liefen verwundert hinter dem reitenden Spielmann her, aber Mariechens Haus blieb zu.
    Pallieter stieg ab und blickte in den Garten hinterm Haus. Onkel Hanrie lehnte gegen die schattige Mauer auf einem Stuhl und schlief, und sonst war es still.
    Pallieter weckte den Bauern auf.
    »Wo is mein Liebchen?«
    »Was! Ja so!« sagte der Bauer gähnend und sich reckend. »Sie is mit ihren zwei Bäschen, die Ferien haben, in die Heide gegangen. Komm! wollen wir einen Schoppen trinken?«
    »Nein, nein,« rief Pallieter, »ich brenne, um Mariechen zu sehen, ich will sie suchen; bis nachher!« Und schon war er weg.
    Er ritt über Feldwege, überall heiß und still; dann an einem Tannenwald entlang, wieder über Land, auf dem gelber Ginster glänzte und das Heidekraut purpurn blühte, dann durch einen langgestreckten Tannenwald, und plötzlich, hinter einer Biegung, lag die ganze, lang erwartete Heide offen vor ihm in ihrer vollen purpurnen Pracht.
    Eine unabsehbare Ebene, groß wie ein Meer, die sich purpurn ausdehnte, purpurn wie die Abendröte, ein Purpur, den die Sonne zur Glut vertiefte. Und hoch darüber stieg der blaue Himmel auf und streckte sich eine ewige Stille aus, zugleich mit dem brummenden Gesumm der Bienen.
    Und Pallieter blieb stehen, bis ins Tiefste seiner Seele ergriffen. Es war ihm, als ob sein Leib sich öffnete und sein Herz nackt daläge vor dem Innersten der Welt und etwas von der Seele der Erde fühlte. Er schien sich selbst ein Riese zu sein und eine Welt für sich. Und er sagte:
    »Eine Menschenseele ist nicht einmal so klein!«
    Er ritt weiter und konnte seinen Augen kaum glauben. Dieser Purpur, dieser Purpur! Er konnte das Ende dieser königlichen Farbe nicht ermessen. Auf der ganzen Fläche war keine Menschenseele.
    Er ritt jedoch weiter und sah neben etwa vier Birkenbäumchen einen Teich glitzern. Wasser zieht an, und er ritt darauf zu! Und siehe da! auf einmal schossen aus dem Ufergebüsch zwölf Reiher auf, die mit verworrenem Flügelschlagen durcheinander aufflogen, weiß und grau, mit herunterhängenden roten Beinen, wie eine echte japanische Malerei.
    Und dann bemerkte er, bei einem weiter gelegenen silbernen Teich, drei nackte Gestalten, die im Wasser spielten. Er stand aufrecht auf dem Pferd, hielt sich an einem Birkenstamm fest und sah in die Ferne, die vor ihm lag.
    Ja, es waren drei nackte Dingerchen, die ins Wasser sprangen, wieder herauskamen und sich mit glänzenden Tropfen bespritzten.
    Pallieter wurde auf einmal rot und sagte überglücklich: »Das is Mariechen mit ihren Bäschen. Wartet!« Ach, er war so froh! Er war wie berauscht! Was für eine Überraschung! Und er ließ sich aufs Pferd fallen und schoß vorwärts wie ein Pfeil vom Bogen...
    Er blickte auf!.. Ja, es waren Mädchen, er sah es von weitem an ihren Hüften. Er ritt schneller; aber dort unten stieg ein dreifacher Schrei auf, und die nackten Mädchen liefen auseinander. Eine kehrte noch einmal um, um ihre Kleider zu greifen; sie ließ sie sofort wieder fallen und lief schneller davon.
    Da erkannte der schnell reitende Pallieter Mariechen, und er rief: »Mariechen, Mariechen!« Aber sie liefen weiter mit flinken Füßen, eine fiel hin, war aber schnell wieder bei den andern. Und immer näher kam er, er hörte ihr ängstliches Lachen und Kreischen, und er genoß den Anblick ihrer rosigen Leiber. Aber die zwei Mädchen mit blondem Haar wichen ab und rannten in einer andern Richtung. Mariechen lief jetzt allein. Pallieter schnitt ihr den Weg ab, er sah ihre Brüstchen tanzen; und er ritt nun nicht mehr allzu schnell, um es recht lang bewundern zu können. Oh, siehe! ihre geschmeidigen Hüften noch naß und glänzend, der rosige Leib, und die Haare hinter ihr wie ein wehender Schleier!
    »O Mariechen!« schrie er. Aber sie rief keuchend zurück: »Laß mich, bitte, laß mich meine Kleider holen.«
    Aber er war zu toll, um auf sie zu hören. Hei, wie herrlich, der rosige Leib seines Liebchens, des Kindes, dem seine Seele gehörte, dort in dem Heidepurpur!
    Und müde blieb sie stehen, kauerte sich zusammen wie vor einer großen Gefahr, hielt die Hände vor die zusammengekniffenen Oberschenkel, blickte flehend und schamrot zu ihm

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