Pallieter
Deich, und die Kühe auf der Weide gingen hin und her, und ihre dampfenden Leiber hüllten sich in eine weiße Wolke. Ein Kuhhirt sang irgendwo unter einem Schutzdach. Freude war über den grünen Ackerfeldern, und ein wohltätiger Erdgeruch verbreitete sich überall.
Für Pallieters Seele war es ein tiefer Genuß, so an den Regenfäden zu hängen, und in seiner Begeisterung fuhr er immer weiter. Gott weiß, wohin!
Aber von der Landstraße am anderen Ufer, die hier gerade bis ans Wasser kam, hörte er seinen Namen.
Und unter dem braunen Plandach eines Müllerwagens bemerkte er Franzoo, der mit den Armen schwenkte und ihm zurief. Pallieter winkte zurück, und durch den platschenden Regen kam der dicke Kerl lachend herangewatschelt. Er stieg in den Kahn und setzte sich auf ein Bänkchen. Sie fuhren weiter. »Der Regen macht mich betrunken«, jauchzte Pallieter.
»Mich naß!« sagte Franzoo.
»Dann geh hinunter in die Fischkammer!« rief Pallieter, und Franzoo zwängte sich durch das viereckige Loch in den Fischkasten und ließ nur seinen roten, lachenden Bacchuskopf oben herausgucken. Pallieter erzählte ihm, daß er bestimmt am 21. Hochzeit mache.
Und hierauf rief Franzoo: »Da müssen wir einen drauf trinken; komm, wir gehn in ein Wirtshaus.«
»Nee!« sagte Pallieter, »wenn wir nach Haus kommen.« »Dann rauch ich eine Pfeife drauf«, meinte Franzoo, und er steckte sich die Pfeife in sein dickes Gesicht. »Kehr nur um, ich krieg schon Durst!« Sie wollten schon wenden, aber Franzoo rief: »Dort kommt die Prozession!« Und wahrhaftig, in dem platschenden Regen kam die Prozession, schwarz von offenen Regenschirmen, traurig herangezottelt. Sie war gewiß um mehr als die Hälfte weniger geworden, lief durcheinander wie verloren, und keine Musik und kein Trommelschlag erklang. Keine Priester zogen voran, und hinten beschlossen die zwei gelben Omnibusse und einige schwarze Kutschen den Zug. In den letzteren befand sich die Geistlichkeit, und die Omnibusse waren vollgepfropft, und oben drauf saßen ganz im Regen noch Menschen mit und ohne Schirm. Und Pallieter sah Charlot, die Jubilarin, mit hochgehobenen Röcken, so daß man ihre säulenförmigen Beine bis beinahe an die Kniee sah — allein unter einem purpurroten Sonnenschirm. Er rief ihr zu. Sie kam herangelaufen und jammerte: »Ach Vetter, geh nur schnell nach Haus und mach den Kaffee fertig, ich bin grün vor Hunger.«
»Komm, steig ein!«
»Nee, nee!« sagte sie, »ich mach alles zu Fuß, schon sieben Stunden im Regen und so ein Hundewetter«, und sie ging nach der Landstraße zurück und begab sich zu den anderen Pilgern. Pallieter und Franzoo lachten, fuhren aber doch nach Haus. Pallieter lauschte auf den Regen, und Franzoo, der immerfort rauchte, betrachtete manchmal die Landschaft mit einem Auge.
Als sie nach Hause kamen, zogen sie sich um, und Pallieter deckte den Tisch unter dem Glasdach, um den Regen draufklopfen zu hören.
Von innen hatte sich an dem Glas ein knorriger Traubenstock hochgearbeitet und breitete nun einen Überfluß von Blättern und Früchten aus.
Ah! eine Last von über hundert purpurnen Traubenbüscheln, mit Früchten so groß wie Taubeneier! Hei, was für ein Baum!
Er war die Zierde von Pallieters Wohnung, sein schönstes Möbelstück. Noch einige Tage, dann würden sie in seinen gierigen Mund gepreßt werden! Ah, was für ein Genuß bereitete sich da vor! Der Wein, der das Herz des Menschen stärkt und die Seele fröhlich macht!
Es war ein starker, überreicher Stock. Er war besonders herrlich, wenn die Sonne darauf schien, wenn die großen Blätter durchleuchtet wurden und die Traubenbeeren in ihrem Leben gebenden, goldenen Schimmer hingen.
Der angenehme Kaffeeduft erfüllte die Stube; und dann, als alles so ziemlich fertig war: holländischer Käse, Eierkuchen und Apfelmus, kam Charlot, tropfend wie ein Sieb, stöhnend herein.
Sie ließ sich auf einen Stuhl fallen und fing an zu weinen über ihr schönes Kleid, das nun verdorben und nur noch als Schlafdecke für Lubas zu gebrauchen war.
»Schweig!« sagte Pallieter; »wie war die Fahrt?«
»Nein, der Regen! der Regen!« jammerte sie weiter; »die meisten warten, bis er vorbei is, die Musik is nicht mit zurückgegangen und is mit dem Zug gefahren. Frauen haben gekämpft, um im Omnibus sitzen zu können. Ach, meine Kleider sind wie Blei; sieben Stunden in dem Regen! Je, je!« Sie ging sich umziehen und kam in ihren Werktagskleidern wieder.
»Und jetzt zeig einmal, was
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