Pallieter
als ob nun eine heilige Ruhe gekommen sei. Ein verspäteter Vogel lachte fern in der Stille.
Auf dem Deck lagen die zwei Männer, schweigend, und rauchten ihre Pfeifen. Morgen würde Mariechen als Jungfrau dieses Schiff betreten und Frau werden in dem reichen Früchteüberfluß des milden Jahres. Wie festlich! Wie aufregend!.. Zum Nichtstillsitzenkönnen!
Und doch dachte Pallieter nicht daran, der Abend war so süß und still, so überreich an innerlichem Frieden, daß er sich ruhig fühlte und rein wie ein Heiliger.
Da war das Fest nun in vollem Gange.
Die ganze lange Scheune war ein Tisch, und überall ringsherum saßen Leute, die gierig aßen, laut schwätzten, schrieen und sangen.
Es war ein Lärm wie beim Jüngsten Gericht, und zwischendurch tönte manchmal eine tiefe Harmonika und ein gellender Triangel.
Schwitzende Knechte in Hemdsärmeln brachten auf Brettern und ausgehängten Türen die Schüsseln mit Wurst, Rotkraut, Schinken, Schnittbohnen, dampfenden Kartoffeln und die Kannen Bier.
Die Tore zu beiden Seiten standen offen, um es recht hell zu machen, und man hatte eine freie und weite Aussicht auf die Felder und Fichtenwälder, über denen ein dünner Nebel hing, durchsponnen von messinggelber Sonne.
Die grauen Lehmwände waren freundlich überzogen mit dunklem Spargelgrün, in dem feurigrote Papierrosen leuchteten.
Der Saal war bläulich von dem Rauch, der aus Pfeifen und Zigarren stieg. Die Sonne drang tief in die Scheune hinein und weckte viele Farben auf. Mitten an der lustigen Bauerntafel saß das junge Paar: Pallieter und Mariechen. Mariechen saß da wie ein Püppchen, still und steif in einem anliegenden, pflaumenblauen Kleidchen, das die Brüste hochdrückte; ein weißer Gazeschleier, der in losen Falten über ihre Schultern fiel, wurde auf dem Kopf von einem Krönchen aus weißen, in Wachs getauchten Orangeblüten zusammengefaßt. Sie saß sittsam wie ein Nönnchen, jung und frisch vor Glück. Ihre apfelroten Wangen glühten noch mehr als sonst, und die gebrannten Löckchen hingen in der ruhigen Sonne wie feines Gold auf ihre weiße Stirn.
Sie saß da in all dem Lärm, als ob sie nicht dazu gehörte; und wenn Pallieter, der frischweg neben ihr sein Essen verschlang und seine Pfeife rauchte, ihr etwas erzählte, so schlug sie die Augen nieder, und eine dunkle Röte zog über ihr Gesicht und ein glückliches Lächeln um ihre Lippen; aber wenn Onkel Hanrie, ihr Vater, dann wieder mit Pallieter über Honig und Mist redete, dann wanderten ihre Augen über den ganzen Tisch, und sie nickte Bekannten und Verwandten erfreut und ein bißchen verlegen zu.
Sie rührte das Essen und das Bier fast nicht an, sondern aß aus einem der vielen Obstkörbchen, die auf dem Tisch standen, einen saftigen Pfirsich und knabberte an einer Nuß. Pallieter sah sie so in ihrer reinen, kindlichen Einfalt dasitzen; sein Herz schlug schneller, und er wollte mit ihr allein sein. Er war aufgeregt.
»Komm, wollen wir uns still davonmachen?«
Aber sie wollte noch warten, wagte noch nicht wegzugehen, um das Fest nicht zu stören; und dann kam wieder frisches Essen, es wurden neue Lieder gesungen und die Gläser noch einmal gefüllt.
So blieben sie sitzen.
Auf einem Faß saß, mit einem Bierkrug zu seinen Füßen, ein schielender Kerl und spielte andauernd und gleichgültig die Ziehharmonika.
Franzoo riß die Augen weit auf über den großen Farbenreichtum. All diese Bauernköpfe, die fast nie etwas anderes wie Erde gerochen hatten und köstlich danach geformt waren. »Jeder Kopf is goldwert!« sagte Franzoo.
Die buntseidenen Schale wimmelten und glänzten, das schwere Gold funkelte, und all die schneeweißen Spitzenhauben, das silberblonde Haar der jungen Dirnen, die bunten Halstücher der Männer und ein hellgrüner Dragoner, das war ein Fest für einen Maler; und dann: es war viel Schwarz, seidenes und baumwollenes Schwarz dabei, das die Farben und die Früchte auf dem Tisch noch stärker glänzen ließ. »Oh!« rief Franzoo Pallieter zu, »Vetter, so etwas gibts nich wieder von hier bis nach China! Kolossal!«
Und die Sonne, die immer mehr hineinschien, gab dem Ganzen noch mehr Üppigkeit und innigeres Leben.
Der Glatzkopf des Pastors stach glänzend ab gegen die blaue Ferne der Fichtenwälder, und Charlot schwitzte vor Eßlust und Vergnügen.
Mariechens Großmutter, die neben ihr saß, in knisternder, schwarzer Seide und einem Strohhut mit breiten Bändern, schwieg kein Ave-Maria lang still von ihrer
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