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Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Timmermans
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Enkelin, bis ein Augenblick kam, in dem Charlot die Tränen in die Augen traten.
    Es wurde viel gelacht und gesungen, und das Bier stieg ihnen in die Köpfe. Der Lärm überwältigte die laute Harmonika. Pallieter wars, als hätte er Ameisen in den Beinen; er wollte mit Mariechen weggehen. Sie wagte es nicht, aber er legte den Mund an ihr Ohr und flüsterte ihr still und lang etwas zu, da stand sie lächelnd auf und ging fort. Gerade da sprang ein vierzigjähriges, besoffenes Bäuerlein auf einen Stuhl und fing an zu singen:
    »Ja, drei Tambours, die aus dem Kriege kamen,
    Ja, drei Tambours, die aus dem Kriege kamen
    Von rum plum, rum plum, rum plum plum,
    Die aus dem Kriege kamen.«
    Alle sangen mit, und dadurch ging Mariechen sozusagen ungesehen vom Tisch weg.
    Pallieter ging nach der andern Seite hinaus, und sie kamen hinter dem Haus zusammen, wo die Wagen der Gäste standen. Und während Mariechen eilig in ihre Kammer lief, um die schon eingepackten Kleider zu holen, spannte Pallieter Lubas vor das blaue Hundewägelchen. Sie setzten sich nebeneinander auf das schmale Bänkchen, und mit einem »Hü!« rollte das Hochzeitspaar davon!
    Aber kaum waren sie einen Bogenschuß weit gekommen, als auf dem Gehöft lautes Geschrei losging. Pallieter und Mariechen sahen sich um, und hinter der Hecke und auf dem Weg standen alle Gäste und riefen und jauchzten; sie winkten mit Armen und Taschentüchern, und manche standen auf Tischen und Stühlen. Sie fuhren rasch durch das stille Dorf und kamen wieder ins freie Feld. — »Immer weiter bis an die Nethe!« rief Pallieter. Die stillen Fichtenwälder atmeten einen starken Terpentingeruch aus, und hier und da stach durch das dunkle Nadelgewölbe ein bißchen Sonne auf einen Birkenbaum. Manchmal fiel ein Blatt sich langsam drehend herunter. Pallieter hielt seine Frau im Arm, und von dem schnellen Fahren flatterte der Gazeschleier nach hinten. Sie legte ihr Köpfchen auf seine Schulter, küßte ihn innig und lachte dann laut heraus.
    Sie wurde frei und ungezwungen, nun sie allein war mit ihm, den sie lieb hatte wie den Himmel. Sie stießen manchmal gegeneinander, und der Staub wirbelte an den Biegungen in dicken Wolken auf. Bauersleute blieben stehen und sahen ihnen lachend nach, riefen ein Scherzwort, aber sie fuhren weiter, ohne sich umzusehen, um schnell in Ruhe allein zu sein.
    Allmählich wurde der Boden fettiger, und nachdem sie noch durch ein kahles Fichtenwäldchen hindurchgefahren waren, sahen sie dort unten im Hellen die Nethe glänzen; und da lag das Schiff.
    Sie flogen die sanfte Böschung hinunter.
    Als sie angekommen waren, durfte der Knecht, der das Schiff bewacht hatte, mit einer Handvoll Trinkgeld zum Fest gehen. »Nimm du das Wägelchen mit,« sagte Pallieter, »Lubas bleibt bei uns, der wird nich aus der Schule plaudern. Adieu!«
    Nun standen Pallieter und Mariechen und Lubas auf dem Schiff.
    Sie wollte durch die Fall-Luke hinuntergehen, um sich umzuziehen, aber Pallieter sagte lachend: »Jetzt noch nich, sonst kommen wir nich wieder.«
    Dann setzte sie sich neben das Steuer auf das Wasserfäßchen und sah Pallieter zu, der die Segel auseinanderschlug, die ein dünner Wind blähte. Pallieter stieß das Schiff vom Ufer, setzte sich neben sie ans Steuer, und langsam trieben sie weiter wie im Schritt.
    »Endlich hab ich dich«, rief Pallieter und küßte ihren roten Mund.
    Das Schiff zog durch das schöne Land von Reyen. Hohe Wolken waren am frischen Himmel, und auf den Wiesen überall Kühe, und in der Ferne die Hügel mit Tannenwäldern bewachsen.
    Und sie saß in ihrem pflaumenblauen Kleidchen, fest von seinem Arm umfangen, während er mit dem andern steuerte. Der Schleier wehte manchmal hoch, und wenn er wieder niederfiel neben ihr Antlitz, siebte die Sonne hindurch und vergoldete fein ihre roten Wangen.
    Wie eine schöne Mutter Gottes kam sie ihm vor.
    Sie war doch so glücklich; es strahlte ihr auch aus den Augen, und das Körbchen mit Obst, das Pallieter zu ihren Füßen hingestellt hatte, blieb unangerührt.
    Das Wasser duftete, das Grasland duftete; hier und da stand schon ein gelb gewordenes Bäumchen; die Sonne fiel auf das weiße Segel, und hoch am Himmel zogen die Kraniche im Dreieck nach dem Süden. Pallieter sah den Vögeln nach, und da stieg zum ersten Mal die große Lust, in die weite Welt hinauszuziehen, in ihm auf.
    Sie fanden all das so neu und herrlich, daß sie darüber schrieen und jauchzten, aber in ihren Herzen wurde die Süßigkeit der

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