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Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Timmermans
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hat gelebt, und weil das Leben immer leben muß und Leben geben, so holt es manches wieder zu sich hinunter, um im nächsten Jahr eine neue Seele hineinzuhauchen.
    Wie kann es anders? Woher sollte die Erde immer wieder die Hülle für die Seelen holen? Sie ist doch rund und abgerundet, und es ist nicht mehr Stoff da, als da ist.

    Darum helfen alle, die vergehen, mit, andere kommen zu lassen. So kommt jedes an die Reihe, und das eine ist so schön wie das andere, weil es mit zum Atem des Lebens gehört. So schön ist es, wenn man daran denkt; aber ach, wir Menschen möchten es doch gern anders haben.
     
    Es war still hier bei den vielen murmelnden Bächen unter den hohen, gelben Bäumen und dem dichten, braun gewordenen Gebüsch. Mittagssonne war da und nichts zu hören als das trockene Ticken von fallenden Blättern.
    Pallieter hatte einen blauen, mit Roggenmehl gefüllten Doppelsack über die Schulter hängen und ging nach Hause. Er war wie berauscht, berauscht von all den starken Herbstfarben, und sein Mund war purpurn von dem Überfluß süßlicher Brombeeren, die er unterwegs gepflückt und gegessen hatte... Und wieder blieb er stehen wie gebannt, als er sah, wieviel Schönheit ihn umgab.
    Hei! all die gelb gewordenen Blätter, die gelben Bäume waren von der Sonne durchstrahlt! Die gelben Wipfel, die rein und stark das Licht trugen und sich scharf von dem zartblauen Himmel abhoben, konnten all das übermächtige Sonnenlicht nicht schlucken, ließen es hinabfallen und hüllten ihren ganzen Baum in Licht. So machte es jeder Baum, und der eine Baum gab sein Licht und seine Farbe dem andern, und all die Bäume waren zusammen wie eine goldene Wolke. Pallieter war ganz hell belichtet davon.
    Er ging weiter, und bei jedem Schritt rauschte es zart in der Stille von trockenen, abgefallenen Blättern. Sie lagen lose und dick wie Teppiche und gaben einen angenehmen Duft. Für Pallieter war es ein herrliches Geräusch, und er hob die Füße nicht mehr hoch, sondern schob sie durch die Blätter. Das Rauschen wurde dadurch voller. Es war schön, es ließ ihn träumen. Die Blätter schoben sich, schlugen und fielen über seine Schuhe; er spielte damit, ging bald schneller, dann wieder langsam und ließ sie so singen, diese gelben, dürren Blätter, singen, singen, wie ein fernes Meer. — So kam er weitergehend an einen hügeligen, offenen Platz voll gelber Blätter und umgeben von hohen, schweren Bäumen und dichten Sträuchern. Pallieter blieb betroffen stehen, denn hier stieß die Sonne frei und nackt all ihre Macht in das bunte Laub, so stark, daß das Gelb der Pappeln leuchtend war wie lebendiges Gold und das Rot der Buchen wie Feuer und Blut. — Es war eine Herrlichkeit von Tönen und Farben, ein Auseinanderfalten der reinsten Goldtöne, die man sich denken kann: Ambergelb, Braun, Rot, Kupfer, Blut, Feuer, Flammen und Gold. Und das Licht der Sonne webte, tauchte, sprühte und tanzte und schlug sie durcheinander zu einer Vision von heiligem Farbenklang. Es war Musik.
    Hier war es noch stiller, nichts rührte sich, alles regungslos wie Eisen.
    Auf einmal streckte Pallieter lauschend den Kopf vor. In der Ferne war der Schall von vielen Jagdhörnern. — Hei, diese Töne erhöhten die goldene Pracht der Bäume! Sie legten sich wie Kränze um das Laub! Man sah den Schall in den Bäumen!.. Er lauschte, ging Blätter schiebend weiter und kam auf schmalen, zwischen hohen Bäumen sich windenden Wegen aufs freie Feld.
    Überall war zarte, feine Sonne, und dort, jenseits der Nethe, goldete aus blauem Himmel der unendliche Beginenwald. Herbstfäden zogen durch die Luft, und ein Geruch von weißen Rüben hing über dem Land.
    Pallieter legte sich auf den Bauch ins Gras und lauschte nach dem fernen Hundegebell und dem Hörnerschall, der aus den blauen Wäldern drang. Herrlich hallten die schönen Hörnerklänge dort in der Ferne. Sie purzelten übereinander, liefen hin und her und verirrten sich durch die ganze Gegend. Und siehe, ein entsprungener Hirsch kam aus dem Beginenwald! Sogleich wurde er verfolgt von Bauern mit Schippen und Heugabeln — aber er war ihnen zu schnell und setzte mit zierlichen Sprüngen, das Geweih nach hinten und die dünnen Beine gestreckt, einer Brücke gleichend, wie mans auf alten Gobelins sieht, über Gräben und Bäche, rannte durch eine überschwemmte Wiese und verschwand nach der Sonnenseite hin in einem andern Wald.
    Aus der Ferne schallten die Hörner weiter, bald fern, dann wieder nah, je nach

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