Paloma
fest seine Brust umklammernd und einen Schreckensschrei nach dem anderen ausstoßend, als Salvador anfuhr. Langsam zwar, aber immer weniger schwankend. Erst fuhr er nur geradeaus, aber dann, immer mutiger werdend, umrundete er in einem weiten Bogen das Haus, einmal und noch einmal und Paloma wünschte, er würde niemals mehr aufhören. Weil es für sie das Wunderbarste war, das sie je erlebt hatte. Die Krönung von allem, was das Leben ihr bisher gebracht hatte.
Zweiter Teil
PHILIPP
1977
Es war um die Mittagszeit, als die JOVEN MARIA in Port Nou anlegte.
Philipp stand an der Reling und verfolgte das Anlegemanöver. Er war hellwach in diesem Moment, obwohl er zwei Tage nonstop am Lenkrad hinter sich hatte, außerdem eine zehnstündige Schifffahrt, bei der er nur gelegentlich auf einem der Butacas, der Lehnstühle unter Deck, eingenickt war. Er hatte sich hauptsächlich oben an Deck aufgehalten und aufs Wasser gestarrt und darauf gewartet, dass Magali auftauchte. Jetzt, endlich am Ziel seiner Reise, sah er die vom Wind zerzausten Palmen, die Port Nou säumten, so scharf und deutlich als ob er durch ein Vergrößerungsglas blickte. Durch seinen Schlafmangel so überreizt, fiel ihm nicht einmal auf, dass sich die Bilder seiner Erinnerung mit denen der Gegenwart überschnitten.
Port Nou lag in der brütenden Mittagshitze wie ausgestorben da. Ein kleiner magerer Hund strolchte im Schatten der Häuser herum und unter der ausgeblichenen Markise einer Hafenkneipe saßen zwei alte Männer und verfolgten mit trägen Blicken die Entlademanöver der JOVEN MARIA.
Zwei der Marineros reichten einem dritten auf der Mole Kisten mit Salat und Gemüse und hievten Säcke und Kisten von Bord, die auf einen Lastwagen weiter verladen wurden. Gelegentlich hielten sie inne, um einen Schluck aus der Bierflasche zu nehmen oder eine Zigarette anzuzünden. Aber trotz der schweißtreibenden Arbeit redeten und lachten sie. Als der letzte Sack schließlich von Bord war, schleppten die Männer zwei kräftige Holzbohlen an und schufen damit eine Abfahrtrampe für die beiden Autos, welche die JOVEN MARIA an Deck hatte.
Als erster ging ein neuer Renault von Bord. Philipp entging nicht, wie nervös der Fahrer war. Aus dem Wagenfenster gelehnt, bellte er den Marineros auf Französisch Kommandos zu. Ob jene sie nun verstanden oder nicht, alles ging glatt, wohlbehalten landete das Auto an Land. Danach war Philipp mit seinem 2 CV an der Reihe. Er zweifelte nicht daran, dass auch er ohne Probleme an Land gelangen würde. Dirigiert von den Handzeichen der Männer ließ er den Wagen langsam über die Bohlen rollen und sobald er festen Boden unter den Rädern hatte, winkte er ihnen zu und fuhr weiter. An der Kneipe vorbei, am Schalter für die Schiffstickets und dem niedrigen Gebäude, in dem die Guardia Civil untergebracht war und bog dann auf die Hauptstraße ein. Auf jene Straße, die ein Ende der Insel mit dem anderen verband.
Kaum hatte er die letzten Häuser von Port Nou hinter sich gelassen, hielt er Ausschau nach all den Bildern, die er während der vergangenen drei Jahren mit sich herumgetragen hatte. Drei langen Jahren. Mit Auseinandersetzungen mit seinem Vater wegen seiner Weigerung Jura zu studieren. Im Hinterkopf ständig der Gedanke an sein Land auf Magali. Er atmete auf, ja Glücksgefühle überschwemmten ihn geradezu, als er feststellte, dass er noch dasselbe Magali wie in seiner Erinnerung vorfand. Das sanft gewellte Land mit seinen Mandel- und Feigenbäumen, deren schwer tragende Äste von einer Vielzahl dünner Holzstangen gestützt wurden und dadurch Sonnenschirmen ähnelten. Da und dort sah Philipp dann auch Schafe darunter Schatten suchend. Die kleinen Pinienwälder und Olivenhaine mit den dicken, knorrigen Stämmen jahrhundertealter Bäume, auch die gab es noch. Ebenso den ockerfarbenen Boden, der zu dieser Jahreszeit abgeernteten Felder, kahl und ausgedörrt.
Gelegentlich entdeckte Philipp ein Haus, an das er sich nicht erinnerte, das neu zu sein schien. Außerdem schien der Verkehr auf der Hauptstraße zugenommen zu haben, aber ansonsten kam ihm die Insel unverändert vor und er war froh darüber.
Kurz hinter San Ferran, einer Ansammlung von höchstens zwanzig Häusern, dort wo die Insel so schmal war, dass auf beiden Seiten der Straße in der Ferne das Meer zu sehen war, bog Philipp von der Hauptstraße ab und fuhr auf einem schmalen Camino weiter. Einem Feldweg, der links und rechts von Natursteinmauern begrenzt
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