Paloma
und meinte nur, das würde man dann sehen.
So wie damals nach dem Tod der Mutter, veränderte sich auch jetzt das Leben auf dem Hof allmählich. Salvador gab es schließlich auf, mit Mariano über die Arbeit auf den Feldern zu reden und sie saßen nun meist schweigend bei Tisch, die Köpfe tief über den Tellern, damit sie einander nicht ansehen mussten. Und zumindest Paloma war froh darüber, wenn Mariano aufstand, sobald sein Teller leer war. Wenn sie auf der Veranda stand und die Teller abwusch, sah sie ihn den Weg nach San Lorenzo einschlagen. Meistens kehrte er erst spät in der Nacht zurück. Aber niemand, nicht einmal Salvador, fragte ihn je, womit er sich die Zeit vertrieb. Die Frage, was aus seiner Arbeitssuche geworden war, erübrigte sich ohnehin. Da er bis in den halben Vormittag hinein schlief, war allen klar, dass er keine Arbeit gefunden hatte. Einmal erfuhr Paloma von einer Nachbarin, ihr Mann habe erzählt, Mariano sitze jeden Tag in einer Bar in Monforte mit ein paar Männern vom Festland zusammen.
Aber auch Salvador war jetzt immer häufiger unterwegs. Fast jeden Abend ging er mit Jaime zusammen hinunter in die Bar El Centro. Jaime war ihr nächster Nachbar. Seine Tochter Ana hatte vor kurzem geheiratet und bewirtschaftete nun zusammen mit ihrem Mann den Hof. Und Jaime musste sich um nichts mehr kümmern. Und so als ob sich Salvador davon hätte anstecken lassen, tat auch er nicht mehr viel auf dem Hof. Wenn das Wetter es zuließ, war er oft bereits schon vom frühen Morgen an mit seinem Boot auf dem Wasser. Und war länger draußen denn je. Auffallend war, dass er dennoch immer weniger Fische mit nach Hause brachte. Paloma vermutete allmählich, dass er oft weder seine Angel noch die Netze auswarf. Dass er nur auf dem Wasser war, um Mariano aus dem Weg zu gehen.
Aber auch Paloma kümmerte sich nicht mehr viel um den Hof. Da sie der Meinung war, dass das jetzt Marianos Aufgabe war, versorgte sie nur die Tiere, kochte und hielt das Haus in Ordnung. Was darüber hinausging, ließ sie ebenso liegen, wie die beiden Männer das taten. Sie strickte in jeder freien Minute und war stolz auf den ständig wachsenden Berg fertiger Pullover. Noch hatte Philipp ihr nicht geschrieben, wann er wiederkommen würde, aber sie wollte soviel Zeit wie möglich für ihn haben, wenn er da war. So dauerte es nicht lange bis der Hof völlig verwahrlost aussah. Es hatte einige Male geregnet in diesem Winter und danach schoss das Unkraut nur so hervor und wucherte allmählich fast hüfthoch bis hin zu den Stalltüren. Überall lagen Müll und Abfälle herum. Eines der Fenster im Stall hatte über Wochen hinweg eine zerbrochene Scheibe, das Dach im Anbau war nicht dicht und es regnete herein. Selbst als durch einen Sturm ein Stück Mauer im Corral einbrach, besserte es niemand aus.
Erst als überall in der Nachbarschaft mit der Feldarbeit begonnen wurde, begriff Paloma allmählich, dass es so nicht mehr weiter ging. Dass ihnen ein hartes Jahr bevorstand, wenn sie die Felder brach liegen ließen. Sich allein auf die Einnahmen durch den Verkauf ihrer Pullover zu verlassen, konnten sie sich einfach nicht leisten. Außerdem litt sie immer stärker unter dem verbissenen Schweigen im Haus. Sie begann, den Gemüsegarten herzurichten wie jedes Jahr und schlug dem Vater vor, dort weiterzumachen, wo es mit Marianos Rückkehr geendet hatte. Salvador hatte nichts dagegen. Im Gegenteil. Und so gingen er und Paloma auf die Felder und säten und zogen Furchen für die Kartoffeln und schnitten die Reben auf dem Weinfeld unten an der Cala Dragonera zurück. Und hatten dabei sogar Glück. Ein Nachbar half ihnen, den Boden mit seinem neuen motorbetriebenen Pflug zu bearbeiten. Und wenn Paloma abends, nachdem die Tiere versorgt waren, nicht zu müde war, versuchte sie, auch den Hof wieder in Ordnung zu bringen. Entfernte das Unkraut, verbrannte den Müll. Gemeinsam mit Salvador flickte sie die eingestürzte Mauer des Corrals und setzte eine neue Scheibe im Stall ein.
Aber es war dennoch nicht dasselbe wie früher. Mariano war da und wenn es nur zum Essen und Schlafen war. Und da Paloma daran lag, dass Salvador, der seit der gemeinsamen Feldarbeit wieder zugänglicher war, nicht wieder mürrisch und schweigsam wurde, beschloss sie, sich mit Mariano auszusöhnen. Vielmehr zu vergessen, was er über Philipp gesagt hatte. Sie hoffte, dass er Philipp eines Tages kennenlernen würde und ihm dann klar wurde, dass seine Freunde nicht die Wahrheit
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