Paloma
und flink ihre Füße dann immer gewesen waren. Die Mutter! Paloma war nicht sicher, ob der Vater der Schifffahrtsgesellschaft einen Brief für Mariano geschickt hatte. Ob Mariano überhaupt vom Tod der Mutter wusste.
Paloma ging vor bis zum Haus und blieb dann stehen und sah dem Bruder entgegen. Er war eine lange Zeit nicht mehr zuhause gewesen, drei, vier Jahre vielleicht. Auch sie hatte sich sonst immer gefreut, wenn er auf Urlaub nach Hause kam, aber heute fürchtete sie sich eher vor dem Widersehen. Mariano war jetzt nur noch wenige Schritte entfernt. Paloma sah, dass er kräftiger geworden war und dass sein rundes Gesicht viel Ähnlichkeit hatte mit dem der Mutter.
„Mariano …“ begann sie anstatt eines Willkommensgruß. „Ich muss dir was sagen … unsere Mutter …“
„Kannst du dir sparen, ich weiß Bescheid“, unterbrach er sie schroff. „Ein paar Leute auf dem Schiff haben es mir gesagt. Eine Schande, so was von Fremden zu erfahren. Warum habt ihr mir nicht geschrieben?“
Mariano wechselte seinen Seesack wütend von der einen auf die andere Schulter.
„Vater hat sicher schreiben wollen, aber …“
„Ja, ja. Ich weiß. Ihr hattet keine Zeit. Ihr wart zu beschäftigt mit anderen Dingen.“
Mariano winkte ab und ging dann auf das Haus zu und ließ Paloma einfach stehen. Sie folgte ihm langsam und musste daran denken, welch einen traurigen Empfang sie ihm geboten hatte und daran, wie die Mutter früher immer einen regelrechteten Festtag aus seiner Heimkehr gemacht hatte. Sie verstand seinen Zorn. Der Vater hätte ihm wirklich schreiben sollen.
Als sie das Haus betrat, sah sie, dass Mariano sich Wein einschenkte. Dann nahm er das Glas und setzte sich damit auf die Veranda. Paloma überlegte, was sie auf seine Bemerkung antworten könnte. Aber er saß so da, das Kinn auf der Brust, als ob er nicht gestört werden wollte. Und da ihr klar war, dass es nun, da die Mutter nicht mehr da war, ihre Sache war, ihm die Zeit zuhause so schön wie möglich zu machen, ging sie in die Küche, damit er wenigstens etwas Ordentliches in den Magen bekam. Sie schlug die ganzen Eier, die sie am nächsten Morgen in die Tienda hatte bringen wollen, in die Pfanne und schälte eine solche Menge Kartoffeln, als ob mindestens drei Leute zum Essen mehr da wären. Dabei wartete sie ungeduldig darauf, dass die Mobylette des Vaters zu hören war. Sicherlich würde der Vater seine Freude über Marianos Heimkehr anders zeigen können als sie.
Die Freude des Vaters war dann auch ganz so, wie sie erwartet hatte. Kaum hatte er Mariano auf der Veranda entdeckt, schwenkte er so ausgelassen die Arme, dass seine Mobylette gefährlich schwankte. Laut lachend vor Freude ging er dann auf Mariano zu und umarmte den um so vieles größeren Sohn und stieß ihn freundschaftlich in die Brust. Als Paloma das sah, sagte sie sich, dass nun alles gut werden würde und eine schöne Zeit vor ihnen lag.
„Sag schon, wie lange haben sie dir diesmal Urlaub gegeben?“, fragte der Vater.
Mariano zuckte mit den Schultern. „Solange ich will.“
„Was heißt das? Solange du willst …“, fragte der Vater.
„Was ich sage. Ich bin jetzt ein freier Mann. Ich will nicht wieder anheuern. Ich bleib hier – für immer.“
„Ist das dein ernst?“
„Warum nicht?“
„Dann bleibst du also wirklich hier.“ Der Vater strahlte. „Ich kann es kaum glauben. Aber wenn du es sagst. Jedenfalls hab ich jetzt endlich wieder einen Sohn. Du wirst schon sehen, wir werden eine Menge zusammen machen. Zusammen auf den Feldern arbeiten und fischen gehen. Paloma, was sagst du dazu? Ist das nicht wunderbar?“
Aber ehe Paloma antworten konnte, sagte Mariano: „Auf den Feldern arbeiten hab ich nicht vor, Vater. Man sagt, es gibt jetzt Arbeit für alle.“
„Ja, ja, die gibt es, du hast Recht. Ich hab den ganzen Sommer über gedacht, wenn Mariano hier wäre … wenn er doch kommen würde … wo es doch jetzt genug Arbeit hier gibt.“
„Ich bin ja jetzt hier.“
„Ja. Aber jetzt gibt es keine Arbeit. Jetzt musst du warten bis zum Frühjahr, bis die neuen Bars und Restaurants und das Hotel wieder aufmachen. Aber, weißt du was, vielleicht hast du ja Glück und sie nehmen dich auf der Baustelle an der Cala des Mortes. Du bist ein kräftiger Bursche. Und jung. So was suchen sie immer.“
Während der Vater redete, stand Mariano da und sah sich Salvadors staubbedecktes, aber sonst ganz ordentlich in Schuss gehaltenes Mobylette an. Salvador folgte seinem
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