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Paloma

Paloma

Titel: Paloma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Dannenmann
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gesagt hatten.
    Wenn sie nun gemeinsam aßen, ermunterte sie den Vater zum Reden und bald erzählte er wieder alles, was er in der Bar El Centro aufgeschnappt hatte. Und gelegentlich stellte Paloma auch Mariano eine Frage, hauptsächlich über seine Zeit auf See. Anfangs kamen nur eher holprige Unterhaltungen zustande, aber einige Zeit später kam es hin und wieder vor, dass sie nach dem Essen noch eine Weile zusammen saßen. Eines Nachmittags ließ sich Mariano sogar dazu überreden, mit dem Vater auf die Felder zu gehen und sich anzusehen, wie das erste Grün aus dem Boden kam.
    An sich nichts Besonderes, oft sah man Väter und Söhne zusammen über die Felder gehen. Für ihre Verhältnisse war es jedoch ein Fortschritt. Nur geschah das bereits zu einer Zeit, da Paloma ein ganz anderes Problem hatte.
    Bisher hatte sie sich so gut wie jede Woche einen Brief von Philipp auf der Post in San Lorenzo abholen können. Seit etwa vier Wochen jedoch schüttelte der Mann am Postschalter jedes Mal den Kopf, wenn sie dort auftauchte. Anfangs nur immer einmal die Woche, wenn sie die Eier in den Ort brachte. Mittlerweile ging sie bereits jeden zweiten Tag nach San Lorenzo hinunter, aber immer umsonst.
    Eines Tages redete sie mit Ana, ihrer etwa gleichaltrigen Nachbarin, darüber.
    „Glaubst du eigentlich, dass Briefe verloren gehen können?“, erkundigte sie sich.
    Ana, wie auch die anderen Nachbarn, hatte natürlich mitbekommen, dass Philipp jeden Sonntag bei ihnen auf dem Hof gewesen war oder hatte die beiden zusammen auf den Feldern gesehen. Ana, die frisch verheiratet war, hatte Paloma bereits damit aufgezogen, dass es bei ihr wohl auch bald soweit sei. Paloma war diesem Thema jedoch ausgewichen.
    „Wieso? Wartest du auf einen Brief von Philipp?“, wollte Ana wissen.
    „Ja.“
    „Ach was. Mach dir bloß keine Gedanken. Der wird schon kommen. Manchmal dauert es eben länger. Denk an den weiten Weg von Deutschland bis hierher zu uns.“
    Paloma nickte. Sie wollte nicht zugeben, dass es sich um mehr als einen Brief handelte. Bisher hatte Philipp regelmäßig jede Woche geschrieben.
    „Aber es kommt schon mal vor, dass Briefe verloren gehen, oder?“, erwiderte sie.
    „Schon möglich.“
    „Und was macht man in so einem Fall?“
    „Keine Ahnung. Aber denk nicht gleich an das Schlimmste. Manchmal wird auch gestreikt bei der Post und dann dauert es eben länger. Ernesto hat neulich erzählt, dass die Leute von der Eisenbahn gestreikt haben und dass es ein ziemliches Durcheinander auf dem Festland gegeben hat.“
    Der Gedanke an einen Streik war Paloma bisher nicht gekommen. Aber sie klammerte sich ab jetzt an diesen Strohhalm. Ja, sie hoffte sogar, dass vielleicht gleich mehrere Briefe auf einmal kämen, sobald der Streik zu Ende war. Am liebsten wäre sie auf der Stelle hinunter nach San Lorenzo gelaufen, aber für heute war es bereits zu spät. Die Post hatte nur vormittags geöffnet.
    „Was ich dich schon immer fragen wollte. Was glaubst du eigentlich, wie es weitergeht mit deinem Philipp und dir?“, fragte Ana plötzlich.
    „Was meinst du mit weitergehen?“
    „Na, ihr könnt doch nicht ewig so weitermachen. Briefe schreiben und sonst nichts … und manchmal denke ich, dein Philipp kommt eines Tages und holt dich zu sich nach Deutschland. Und dann sehen wir uns vielleicht nie wieder. Hast du dir das mal überlegt?“
    „Nein. Noch nie. Ich geh sowieso nicht weg von hier, niemals.“
    „Auch wenn er, also dein Philipp, dich fragen würde?“
    „Auch dann nicht. Ich stell es mir ziemlich schrecklich vor, in einer Stadt zu wohnen, nur Häuser und Mauern. Das ist nichts für mich. Ich würde ersticken.“
    Ana nickte. Und dann redeten sie über etwas anderes. In Wahrheit machte Paloma sich ohnehin nie Gedanken über die Zukunft. Sie hatte die Arbeit auf dem Hof, die Tiere und ihre Strickerei und die Hoffnung, Philipp bald wiederzusehen oder zumindest einen oder mehrere Briefe von ihm zu bekommen. Das genügte ihr vollkommen.
    Aber auch am nächsten Morgen hatte der Postbeamte keinen Brief für sie, geschweige denn Briefe. Und über einen Streik war ihm auch nichts bekannt. Zumindest nicht bei ihnen. Allmählich tat ihm das junge Mädchen leid. Und es wurde ihm auch langsam lästig, ihm ständig Lügen auftischen zu müssen. Andererseits konnte er aber auch ihren Bruder verstehen. Wahrscheinlich hätte er an seiner Stelle nicht anders gehandelt.
    Auch wenn er als Beamter nicht darüber reden durfte, er war ja nicht

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