Paloma
verändert haben sollte.
„Weißt du, warum er so viel getrunken hat in jener Nacht? Er muss doch einen Grund gehabt haben.“
„Er hat auch an anderen Abenden viel getrunken. Es war ja nicht das erste Mal.“
„Du tust gerade so, als ob Salvador ein Säufer geworden war.“
„Wer hat ihm denn jeden Abend den Wein hingestellt? Du oder ich?“
„Schon gut, Miguel. Ich denke nur an früher, als Salvador mir geholfen hat, meine Zisterne zu bauen. Damals hat er nicht viel getrunken.“
„Und wie lange ist das jetzt her?“
„Stimmt schon.“
„Soll ich dir mal was sagen? Meiner Meinung nach hat er in letzter Zeit so viel getrunken, weil er alt geworden ist. So geht es eben. Erst trinken sie ihren Kaffee bei mir. Kaffee immer nur Kaffee, höchstens ab und zu mal einen Wein oder einen Brandy. Und dann kommen sie immer öfter und bleiben immer länger, trinken aber keinen Kaffee mehr.“
„Hat Paloma das gewusst?“
Miguel ließ mit einem Hebeldruck Wasserdampf zischen und stellte dann eine Tasse starken schwarzen Kaffee vor Philipp auf die noch feucht glänzende Theke.
„Gewusst oder nicht. Sie hat ihn ja nicht anbinden können.“
Nein, das hatte sie nicht. Genau so wenig, wie er Salvador damals hatte ausreden können, die Erde aus der Grube für die Zisterne herauszuschaffen, obwohl die Arbeit zu schwer für ihn gewesen war.
Etwas anderes fiel Philipp ein und er sagte: „Hat Salvador noch eine offene Rechnung bei dir? Wenn ja, schreib es auf mich.“
Aber Miguel, der ihm den Rücken kehrte, weil er sich an der Kaffeemaschine zu schaffen machte, sah ihn nur kurz über die Schulter hinweg an. „Was machst du dir Sorgen um mein Geld? Entweder er zahlt und wenn nicht ...“ Miguel machte eine Handbewegung als ob er sich etwas über die Schulter werfe.
Darauf stieß Philipp einen Barhocker beiseite, der ihm im Weg stand und ging zur Tür. „Bis später. Ich schau noch mal rein.“
„Schmeckt der Kaffee heute nicht?“, rief ihm Miguel nach.
„Nein“, antwortete Philipp. „Mir schmeckt heute gar nichts. Aber das hat nichts mit deinem Kaffee zu tun. Du weißt, was ich meine.“
Als Philipp sein Auto neben Salvadors Haus abstellte, sah er Paloma eben den Anbau verlassen, in dem früher die Saatkartoffeln aufbewahrt wurden. Daran erinnerte er sich noch gut. Dabei zerrte der Sturm so heftig an Palomas weitem Rock, dass sie Mühe hatte, nicht zu stolpern. Philipp ging ihr entgegen, aber als sie ihn sah, rief sie nur laut gegen den Wind: „Nada, nada, nada!“ Nichts. Und ging dann ins Haus.
Philipp folgte ihr und als sie in der Sala waren, drehte sie sich um und blickte ihn mit den Augen eines verängstigten Tieres an. Philipp wusste nicht, was er sagen sollte. Was hätte er auch sagen sollen? Aber als sie eine Bewegung machte, eine kleine, hilflose Geste, ging er auf sie zu und hielt sie plötzlich in den Armen. Sie klammerte sich an ihn. Er spürte, wie sie zitterte und hielt sie fest umschlungen. Als er damit begann, Paloma beruhigend über den Rücken zu streichen, zitterte seine Hand ebenfalls.
So standen sie eine ganze Weile. Paloma begann schließlich zu reden. „Philipp, er kann diesen Sturm heute Nacht nicht überlebt haben.“
„Nein ... nicht Paloma, sag so was nicht.“
„Unmöglich. Ganz und gar unmöglich. Nicht bei diesem Sturm.“
„Trotzdem darfst du so was nicht sagen, Paloma, ja nicht einmal denken. So schnell wie der Sturm gekommen ist, wird er sich wieder legen und dann fahren die Boote wieder raus und du wirst sehen, sie finden ihn.“ Philipp wusste selbst, dass es nur leeres Gerede war. Ein Sturm wie dieser legte sich nicht von jetzt auf nachher. Selbst drinnen im Haus war seine Kraft noch zu spüren. Heulend tobte er ums Haus. Irgendwo schlug ein Fensterladen gegen eine Wand. Aber was sonst hätte Philipp sagen können?
Eigenartigerweise kam plötzlich eine Art innere Ruhe über ihn und das Bild, das ihn seit dem Aufwachen gequält hatte, verschwand. Ständig hatte er Salvador vor Augen gehabt. Salvador in seinem Boot, wie er mit letzter Kraft gegen die schwere See ankämpfte. Ein unendlich quälendes Bild. Jetzt, da Paloma ausgesprochen hatte, was er selbst nicht zu denken gewagt hatte, war er plötzlich davon überzeugt, dass Salvador seinen letzten Kampf bereits hinter sich hatte. Alles andere war im Grunde undenkbar. War sinnloses Klammern an Unmögliches.
„Es ist gut, dass du gekommen bist, Philipp.“
„Ja.“
„Ich bin so froh darüber.“ Ihr
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