Paloma
schutzlos ausgeliefert.
Philipp versuchte, noch ein Stück mit dem Auto weiterzukommen. Als sie jedoch die ersten tieferen Einschnitte in der steinernen Ebene erreichten, mussten sie das Auto stehen lassen. Aber kaum waren sie ausgestiegen, taumelten sie anfangs unter der Wucht des Sturmes und rangen nach Luft, die hier mit dem Sprühnebel der Gischt durchsetzt war, die gegen die steil abfallenden Felsen schlug. Philipp legte einen Arm um Paloma, die mit ihrem weiten Rock zu kämpfen hatte. Sie kamen nur langsam vorwärts. Vornüber gebeugt, sich gegen den Sturm stemmend.
Erst als sie den Pfad erreichten, der zwischen den zerrissenen und geborstenen Felsen steil zum Wasser und zu den Booten hinunterführte, die dort unter ihren Holzdächern lagen, waren sie dem Sturm nicht mehr völlig schutzlos ausgeliefert. Aber der Pfad war so schmal, dass sie nicht nebeneinander gehen konnten. Philipp sorgte sich um Paloma, die ihren Rock zusammenhielt und dadurch keine Hand frei hatte, um an der Felswand Halt zu suchen. Tief unter ihnen brodelte die See.
Minuten später versperrte ihnen eine herrenlose Mobylette den Weg. Der Sturm presste sie gegen den Felsen und ließ die Kette mit metallischem Klicken gegen das Schutzblech schlagen. Salvadors Mobylette vermutlich, die er hier im Schutz der Felsen abgestellt hatte. Philipp rückte das Rad, so gut es ging, beiseite und sie stiegen weiter hinab. Bis zum Ende des Pfades, wo die schäumende, rollende See in die Felsbucht schlug und gegen die Pfähle der Bootshütten klatschte, die gewöhnlich meterweit vom Wasser entfernt waren. Philipp musste immer wieder zu der einzigen Bootshütte hinüber sehen, in der kein Boot festgemacht war. Und auch Paloma blickte in jene Richtung. Niemand sagte auch nur ein Wort. Das Meer brüllte ohnehin so laut, dass sie dagegen hätten anschreien müssen. Und was hätten sie sich in diesem Moment auch sagen können?
So standen sie einfach nur da und sahen aufs Wasser. Philipp spürte, wie sich der Gischtnebel allmählich auf seine Kleidung legte und wie ihm der Anblick des infernalischen Tobens des Wassers immer unerträglicher wurde, aber ihm entging nicht, dass Paloma noch Zeit brauchte. Drängen wollte er sie in diesem Augenblick nicht, in dem sie vielleicht eine Art stille Zwiesprache mit ihrem Vater hielt, der irgendwo dort draußen auf dem Wasser sein musste.
In der folgenden Nacht legte sich der Sturm und am Morgen danach fuhren wieder Boote raus, um nach Salvador zu suchen. Aber es waren nicht mehr sehr viele, denn kaum jemand glaubte noch daran, dass Salvador diesen Sturm überlebt haben könnte. Philipp fuhr mit Jaime, einem Nachbar Palomas, hinaus. Leichter Ostwind blies, aber die Dünung hatte noch immer einige Kraft. Verglichen mit dem Tag zuvor war das jedoch nichts und als die Sonne rauskam, wurde es ein schöner, warmer Tag.
Sie blieben nahe der Küste und suchten bis zum Spätnachmittag die felsigen Buchten ab, die Riffe und vorgelagerten zerklüfteten kleinen Inseln in der Gegend der Cala Sahona. Ohne Erfolg allerdings. Und als sie im Hafen einliefen, erfuhren sie, auch die restlichen Boote waren erfolglos zurückgekehrt. Obwohl es niemand aussprach, wussten doch alle, es gab jetzt nichts mehr, was man noch für Salvador hätte tun können. Jetzt blieb nichts anderes mehr übrig als zu warten. Darauf, dass sein Boot vielleicht irgendwo weit draußen gesichtet wurde, vielleicht von einem vorüber kommenden Frachter oder dem Linienboot oder aber dass irgendwo Bootsplanken angeschwemmt wurden. Früher oder später spuckte die See das meiste wieder aus. Nur wenig behielt sie für immer.
Anschließend fuhr Philipp ein weiteres Mal zu Paloma. Es fiel ihm schwer, untätig in der Cala Dragonera zu sitzen, konnte sich aber auch nicht dazu aufraffen, an seiner Mauer weiter zu bauen oder einige kleinere Sturmschäden auszubessern. Auch seine Papiere und Unterlagen, die er während dieser Tage hatte aufarbeiten wollen, blieben liegen.
Als Philipp durch die Hofeinfahrt fuhr, sah er ein Auto vor dem Haus stehen. Er überlegte sich, ob er nicht besser wieder umkehrte. Aber ihm war klar, irgendwann musste er sich der Situation ohnehin stellen. Noch hatte er Palomas Mann nicht zu Gesicht bekommen.
Paloma musste ihn gehört haben, denn sie kam ihm auf der Veranda entgegen und da die Haustür offen stand, sah Philipp einen Mann mit blassem, dicklichem Gesicht am Tisch sitzen. Er hatte Philipp ebenfalls gesehen, aber er erwiderte dessen
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