Paloma
Wort und so standen sie nur da und sahen sich an. Philipp war sich bewusst, dass Zärtlichkeit darin lag, eine Zärtlichkeit, die jedoch schmerzte. Fast unbewusst machte er einen Schritt auf Paloma zu. Sie wich ihm jedoch aus.
„Falls du Zeit hast, könnten wir dann ein Stück zusammen laufen? Irgendwohin. So wie früher. Weißt du noch?“, sagte sie.
„Wie hätte ich das vergessen können. Ja, gehen wir ein Stück.“
„Oder könnten wir vielleicht zu meinem Weinfeld bei dir in der Cala Dragonera fahren? Ich würde mir die Weinstöcke gerne anschauen. Ich war schon so lange nicht mehr da draußen.“
Bei dir in der Cala Dragonera hatte sie gesagt. Philipp musste daran denken, wie er sich früher so manches Mal gewünscht hatte, Paloma sein Haus zu zeigen, das so nahe an ihrem Weinfeld lag. Selbst als er schon nicht mehr damit rechnen konnte, sie jemals als SEINE Paloma wiederzusehen, hatte er daran gedacht. Aber selbst das war lange vorbei und die Zeit, die vergangen war, ließ sich nicht mehr zurückdrehen. Er versuchte deshalb, Paloma den Gedanken auszureden.
„Und wenn ein Nachbar vorbeikommt oder sonst irgendjemand und du bist nicht zuhause?“
„Deshalb will ich ja weg. Ich kann die mitleidigen Blicke nicht mehr ertragen. Ich weiß, es ist gut gemeint, aber ich ... ich mag einfach nicht mehr.“
Philipp entging nicht das Zittern ihrer Hand, mit der sie eine Haarsträhne zurück strich.
Als sie die Cala Dragonera erreichten, stand die Sonne schon so tief, dass Licht und Schatten ihre Schärfe verloren hatten und die Umgebung in warme Farben getaucht war, ähnlich wie damals als sie oben an der Mühle Abschied genommen hatten.
Sie gingen über Palomas Weinfeld, die langen Reihen der Rebstöcke entlang. Die jungen Triebe hatten kleine Rispen mit Blütenknospen, die jedoch noch winzig waren. Man musste schon sehr genau hinsehen. Philipp vermied es, zu seinem Haus auf der kleinen Anhöhe nicht weit entfernt hinüber zu schauen, das von hier aus gut zu sehen war. Als sie das Ende des Weinfeldes erreicht hatten, kehrte Paloma jedoch nicht um, sondern blieb stehen und blickte zu seinem Haus hinüber.
„Ein schönes Haus. Ganz so, wie sie früher hier gebaut haben.“
„Und was glaubst du, was ich anfangs alles zu hören gekriegt hab deswegen. Niemand hat so recht verstanden, wieso ich keinen modernen Bungalow oder so was Ähnliches haben wollte. Aber das Haus passt gut zu der Landschaft hier, und das war mir wichtig. Vor allem seit es nicht mehr ganz so neu aussieht. Die Steine sind dunkler geworden und das Holz sieht auch nicht mehr aus wie frisch vom Schreiner. Es ist ein gutes Haus geworden, oder?“
„Ja, es ist ein gutes Haus.“
Philipp zögerte einen Augenblick und fragte dann, ob sie es sich anschauen wollte. Paloma nickte, und sie überstiegen die Mauer am Ende des Weinfeldes und gingen hinüber zu seinem Haus. Sie sprachen beide nicht. Erst als sie auf der Veranda standen, wollte Paloma wissen, ob jemand da sei.
„Nein, niemand. Nur wir beide.“
Philipp öffnete die Tür und sie gingen beide hinein. Aber schon nach wenigen Schritten blieb er stehen und nahm Palomas Gesicht in beide Hände und sagte: „Ich kann mir denken, wie dir zumute ist. Ich weiß, du bist traurig. Ich bin es auch ... wegen deinem Vater und weil ... du weißt schon. Weil so viel Zeit vergangen ist und ... all das eben. Du verstehst, was ich meine.“
Paloma nickte. „Wir können es nicht mehr ändern, oder?“
„Nein.“ Philipp küsste sie auf den Mund. Nicht wie damals beim Abschied oben an der Mühle, sondern sehr sanft. Dann sahen sie sich an und Philipp sagte: „Du hast mir so gefehlt. Viele Jahre.“
„Du mir auch.“
Aber weder jetzt noch irgendwann später war von den Briefen die Rede, die nicht geschrieben oder nicht angekommen waren. Oder von den Dingen, die hätten sein können und doch nicht wahr wurden. Sie stellten einander keine Fragen, gaben keine Rechtfertigungen oder Erklärungen ab. Alles was sie taten, war, sich Mühe zu geben, um einigermaßen vernünftig mit der Situation umzugehen.
Um die Wortlosigkeit zu überspielen, führte Philipp Paloma durchs Haus. Da es jedoch ein kleines Haus war, war die Führung auch fast schon beendet, kaum hatte sie begonnen. Auf Palomas fragenden Blick wegen einiger Strandkleider, die Bobby in ihrem Zimmer hängen hatte, erklärte Philipp ihr, was es mit dem Zimmer auf sich hatte.
„Bobby ist deine Frau?“
„Nein, Bobby ist meine
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