Paloma
Land in der Cala Dragonera vorgeschossen hatte. Einmal hatte er sogar seinen Urlaub hier auf der Insel verbracht und er hatte sich in der Cala Dragonera so wohl gefühlt, dass er vorhatte, vielleicht später, in seinem Ruhestand, für länger herzukommen. Leider war dann mal wieder alles ganz anders gekommen als geplant. Der Vater hatte seinen Ruhestand nicht einmal mehr erlebt.
Philipp hatte plötzlich keine Lust mehr, noch länger zuzusehen, wie die beiden Alten sich abrackerten. Er stand auf und rief: „Lasst mich auch mitmachen. Schließlich ist es doch meine Zisterne.“ Dabei stolperte er durch den Sand auf die beiden zu, aber alles, was er antraf waren die dunklen Schatten der Felsen.
„He! Wo seid ihr? Los, kommt zurück!“, rief er laut über den Strand. Aber als Antwort kam nur ein leises Lachen der Dünung, die am Meeresrand herumspielte. Und plötzlich war Paloma neben ihm. Aufgetaucht wie aus dem Nichts saß sie da, die Beine unter den Rock gezogen und blickte zu ihm auf.
„Nach wem rufst du, Philipp? Außer uns ist doch niemand hier.“
Philipp antwortete nicht. Er hatte Angst, Paloma könnte ebenso verschwinden wie Salvador und sein Vater. Merkwürdig war nur, dass er ihr Haar unter seinen Fingern spürte, als er die Hand ausstreckte. Er schüttelte heftig den Kopf, um wieder klar denken zu können, Paloma war jedoch immer noch da. Er setzte sich neben sie in den Sand und legte einen Arm um sie.
„Du hast das mit meinem Vater bestimmt gehört. Du weißt, dass sie ihn gefunden haben?“
„Ja, und es tut mir so leid, Paloma, es tut mir unendlich leid.“
Paloma ließ den Kopf sinken. „Die Ungewissheit war schrecklich für mich, aber jetzt ... jetzt weiß ich, dass Gewissheit noch viel schlimmer ist.“
„Und am Schlimmsten ist diese verdammte Endgültigkeit. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie es war, als mein Vater starb. Zu wissen, dass er nie wieder zur Tür reinkommen, nie wieder neben mir am Tisch sitzen würde ... all das eben.“
Philipp fühlte sich erneut schwindlig, er bildete sich ein, die Dünung vor ihm hob und senkte sich, so als ob er noch sehr betrunken sei, aber er kämpfte dagegen an und versuchte, langsam und deutlich zu sprechen. „Ich muss immer daran denken, dass du jetzt ganz allein bist. Und was jetzt werden soll. Glaub mir, ich hab versucht, einen Ausweg zu finden, aber in Wirklichkeit hab ich nur unheimlich viel getrunken den ganzen Tag über.“ Er deutete auf die Karaffe, die ein Stück entfernt im Sand stand.
„Selbst wenn du nicht getrunken hättest, es gibt keinen Ausweg.“
„Du versuchst, tapfer und vernünftig zu sein, stimmt’s?“
„Sag mir, was ich sonst machen soll?“
Philipp schwieg, weil er keine Antwort darauf wusste. Ihm war zum Heulen zumute, aber er wollte es nicht darauf ankommen lassen.
„Möchtest du, dass ich morgen zur Beerdigung komme?“
„Ich weiß nicht. Du hast doch andere Pläne für morgen, oder nicht?“
Ja, die hatte er allerdings, aber er wollte jetzt nicht daran denken.
„Selbst wenn du kommen würdest, es würde ja doch nichts ändern.“
Danach schwiegen beide.
Paloma fest an sich drückend, sagte Philipp schließlich: „Ich bin so froh, dass du noch mal hergekommen bist.“
„Ich konnte gar nicht anders. Ich musste kommen.“
Philipp wusste, dass Paloma die Wahrheit sagte, was aber alles nur noch schlimmer machte.
„Paloma, wir müssen darüber reden. Wir müssen die ganze Geschichte irgendwie in Ordnung bringen. Das heißt, ich muss es. Diese unselige Geschichte mit meiner Ehe. Gott, wie das klingt. Dabei bin ich erst so kurz verheiratet, dass ich noch gar nicht weiß, ob das überhaupt funktionieren wird.“
„Lass, Philipp, bitte.“ Paloma legte ihm ihre Finger auf den Mund. „Du musst nichts in Ordnung bringen. Ich hab all die Jahre doch sowieso geglaubt, du wärst verheiratet. Was ändert sich also für mich? Dass wir noch einmal zusammen waren und vor allem in dieser Situation, die ich kaum ertragen konnte, war wie ein Geschenk für mich.“
„Und wenn ich ...“
Philipp konnte den Satz nicht beenden, Paloma küsste ihn auf den Mund.
„Denk nicht an morgen, ich tu es auch nicht. Nicht im Moment wenigstens.“ Sie legte ihren Kopf in seinen Schoß und sie blickten beide hinauf in den Nachthimmel. Philipp wünschte sich, eine Sternschnuppe falle herab. Vielleicht als Zeichen dafür, alles käme in Ordnung.
Aber nach einer Weile vergaß er die Sternschnuppe und stand auf und holte
Weitere Kostenlose Bücher