Paloma
eine Art Sprachkurs mit ihr.
Anfangs hatte Paloma ihm nur ein Glas Wein hingestellt, später lud sie ihn jedoch ein, mit ihr zusammen zu essen und nach und nach wurde daraus ein fester Bestandteil ihrer Woche. So wie sie früher mit Philipp jeden Sonntag über die Insel gewandert war, so saß jetzt Pedro jeden Sonntag an ihrem Tisch und übte mit ihr deutsche Vokabeln.
Es dauerte allerdings eine Weile, ehe Paloma ihre anfängliche Scheu ihm gegenüber verlor. Als Lehrer der Insel war er für sie, zumindest anfangs, eine ähnliche Autorität wie der Alcalde, der Bürgermeister oder auch der Médico. Sogar sein Blick durch die Brillengläser hatte sie verunsichert. Aber das ließ allmählich nach und mit der Zeit ergaben sich, zusätzlich zum Sprachunterricht, lange Gespräche über alles Mögliche. Paloma mochte es vor allem, wenn Pedro Pujol von früher, von seiner Zeit auf dem Festland erzählte. Hauptsächlich über Valencia, wo er studiert hatte. Sie ließ sich sein Leben in der Stadt in allen Einzelheiten beschreiben, allerdings war sie ziemlich enttäuscht, als sie erfuhr, dass er noch nie im Ausland gewesen war.
Da Paloma in diesem Winter wegen ihrer Schwangerschaft nicht auf den Feldern arbeiten konnte, lagen sie notgedrungen brach. Sie hatte zwar versucht, jemand zu finden, der die Felder gegen eine geringe Pachtsumme übernahm, hatte aber keinen Interessenten gefunden. Zu viele Felder lagen jetzt brach. Die Arbeit auf dem Hof erledigte sie aber noch immer allein. Sie richtete den Gemüsegarten her und bestellte ihn wie sonst auch. Obwohl ihr das Bücken immer schwerer fiel. Sie hatte sogar auf ihrem Weinfeld drüben auf der Cala Dragonera die Reben beschnitten. Eines Sonntags jedoch traf Pedro Pujol sie an, wie sie auf einer Leiter stehend, die Zweige eines Mandelbaumes hinten im Hof beschnitt. Ruhig, wie es so seine Art war, bat er sie, von der Leiter zu steigen, nahm ihr die Säge aus der Hand und stieg dann selbst hinauf und fuhrwerkte im Baum herum. Offenbar wütend. Spätestens jetzt wurde Paloma klar, dass er über ihren Zustand Bescheid wusste, der ohnehin nicht mehr zu übersehen war.
Nachdem Paloma die dürren Äste, die Pedro Pujol heraus geschnitten hatte und die sich gut zum Feuer anzünden eigneten, gebündelt in den Anbau geschafft hatte, setzten sie sich an den Tisch in der Sala, um wie gewöhnlich mit dem Deutschunterricht zu beginnen. Aber diesmal blieb das Buch geschlossen und der Wein, den Paloma Pedro Pujol eingeschenkt hatte, wurde nicht getrunken. Pedro Pujol blickte Paloma schweigend durch seine Brillengläser an und sagte schließlich: „Ich mache mir große Sorgen um Sie.“
„Aber wieso?“
„Ich weiß, es geht mich nichts an. Aber es dauert jetzt vermutlich nicht mehr lange und Ihr Kind kommt auf die Welt.“
„Machen Sie sich keine Sorgen deswegen.“
„Doch.“ Pedro Pujol war alles andere als ein Fröhlichkeit verbreitender Mensch, aber so ernst hatte Paloma ihn noch nicht erlebt. „Doch. Sie sind ganz allein auf dem Hof. Wie soll das also vor sich gehen? Wird denn überhaupt jemand nach Ihnen schauen, wenn es soweit ist? Ich meine ...“
Pedro Pujol blickte verlegen auf den Boden.
„Ich weiß, was Sie meinen“, sagte Paloma. Ihr war klar, dass es ihr eigentlich peinlich hätte sein müssen, mit einem wildfremden Mann über die Geburt ihres Kindes zu reden. Aber bei Pedro Pujol verhielt sich das anders. Ihrer Meinung nach wusste er so viel mehr als sonst jemand auf der Insel und vermutlich kannte er sich auch mit Geburten aus. „Aber machen Sie sich keine Sorgen. Wenn es soweit ist, kommt Catalina zu mir. Catalina Ferrer. Die Hebamme.“
„Ja, ich hab schon von ihr gehört. Aber wie soll das vor sich gehen? Ich meine wer wird sie benachrichtigen, wenn es soweit ist?“
„Zum Glück habe ich eine gute Freundin in der Nachbarschaft. Der sag ich Bescheid und ihr Mann will dann Catalina holen. Und falls er gerade nicht zuhause ist, will sie zur Bar Es Cap gehen, dort gibt es ein Telefon. Sie sehen, es ist an alles gedacht.“
„Meine Fragen kommen Ihnen doch hoffentlich nicht zu aufdringlich vor.“
Paloma schüttelte den Kopf.
„Ich habe zwar keine Kinder, aber ich erinnere mich daran, als meine Schwester ihr erstes Kind bekam – sie und ihr Mann haben damals noch bei uns im Haus gewohnt. Damals hat es ziemlich lange gedauert, obwohl eine Hebamme da war und meine Mutter und eine Nachbarin. Ich bin mir nicht sicher, ob sie es allein geschafft hätte ...
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